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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die ihm den Schlaf raubte. Er hörte Lisas ruhigen,
     tiefen Atem. Sie hatte ihre Sorgen für den Moment vergessen.
    Von draußen drangen die Geräusche des Straßenverkehrs herein. Ein Hund bellte. Gelegentlich waren gedämpfte Stimmen aus den
     Nachbarwohnungen zu vernehmen. Das Leben ging seinen gewohnten Gang. Niemand außer ihm und Lisa ahnte etwas davon, dass ein
     gewaltiges Monster durch die Datenleitungen des Internet kroch. Ein Monster, das in seiner Firma geschaffen worden war.

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    49.
    Boston/Massachusetts,
    Montag 11:31 Uhr
    »Du wolltest mich sprechen«, sagte Mike Auderburn mit leicht beleidigtem Tonfall. Sie hatten in der Firma immer offen über
     alles geredet. Es war das erste Mal, dass Ron seinen zwei Jahre jüngeren Chef um ein vertrauliches Gespräch gebeten hatte.
     Mike sah ihn mit seinen braunen Augen |208| durchdringend an. »Hat Doc Solomon dir ein Angebot gemacht?«
    Ron grinste. Das war es, was Mike bedrückte – er hatte Angst, dass Ron eine Gehaltserhöhung aus ihm herauspressen wollte.
     Das wäre ihm niemals eingefallen. Einerseits verdiente er nicht schlecht, andererseits wusste er, dass ANS trotz erfolgreicher
     Arbeit wirtschaftlich nicht besonders stabil dastand. Der Markt war härter geworden seit dem Kollaps der New Economy.
    »Nein, nein, keine Angst«, sagte er und genoss Mikes Erleichterung. Dann wurde er ernst. »Ich mache mir Sorgen.«
    »Das musst du nicht. Die Bank hat gesagt, sie ist jederzeit bereit, unsere Kreditlinie …«
    »Nicht deswegen, Mike. Ich mache mir Sorgen wegen dieses Wurms. Du weißt schon, das dicke Ding, das wir neulich in der Falle
     hatten und das sich einfach in Luft aufgelöst hat.«
    »Du machst dir Sorgen wegen eines Wurms? Dann hast du wohl den falschen Job! Vielleicht solltest du zu Greenpeace wechseln
     …«
    »Im Ernst, Mike. Das Ding ist saugefährlich, das spüre ich. Sieh mal hier, ich hab eine Auswertung gemacht.« Er reichte Mike
     ein Diagramm. »Das ist die Anzahl der Virusattacken auf all unsere Fallen. Du siehst, wie sie hier mehr oder weniger kontinuierlich
     ansteigt, bis hier. Und dann, seit ungefähr vier Wochen, sinkt die Zahl der Angriffe.«
    »Ja, und?«
    »Mike, die Anzahl der Viren, die in Umlauf sind, steigt seit Jahren.«
    Mike nickte. »Das ist mir nicht entgangen. Deshalb habe ich ja die Firma gegründet. Ist eben ein Wachstumsmarkt.«
    »Dann müsstest du dir doch eigentlich auch Sorgen machen, wenn die Zahl der Virenangriffe sinkt.«
    Mike lachte. »Mensch, Ron, wie viele Fallen haben wir hier stehen? Zwölf? Wenn hier bei uns die Angriffe zurückgehen, |209| heißt das doch nicht, dass es woanders auch passiert. Das ist doch keine signifikante Stichprobe.«
    »Vielleicht nicht«, sagte Ron. »Aber es gibt auch keinen vernünftigen Grund, warum unsere Rechner weniger befallen werden
     sollten als andere.«
    »Selbst wenn es so wäre, es ist doch normal, dass es Schwankungen gibt. Was weiß ich, vielleicht sind die Leute einfach vorsichtiger
     geworden und öffnen nicht mehr jede E-Mail, nachdem wieder so viel über Mytob in den Nachrichten war.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, die User wären schlauer geworden?«
    »Vielleicht ja doch. Märkte ändern sich, Ron. Das ist normal. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Irgendwann wird das Wachstum
     auch in diesem Markt vorbei sein. Allerdings glaube ich, dass deine Kurve nur eine kurze Unterbrechung darstellt, keinen dauerhaften
     Trend.«
    »Wie auch immer, ich bin ziemlich sicher, dass diese Kurve keine Marktentwicklung widerspiegelt.«
    Mike machte ein aufmerksames Gesicht. »Sondern?«
    »Ich glaube, dass etwas da draußen ist. Etwas, das die anderen Viren verdrängt.«
    Mike sah Ron lange an. »Dein Megawurm«, sagte er dann, als sei das die albernste Idee seit dem Online-Versandhandel mit Blutegeln.
    Ron nickte. »Schau mal hier, es fängt vor ungefähr drei Monaten an. Das Wachstum wird erst flacher, dann erreicht die Kurve
     ihren Höhepunkt, und seitdem geht es immer steiler abwärts. Ich kann mir das nur so erklären, dass etwas da draußen ist, das
     die anderen Viren und Würmer unterdrückt.«
    »Warum sollte ein Virus andere Viren unterdrücken? Das ist doch Blödsinn!«
    »Dieser Megavirus nimmt anscheinend sehr viel Rechenkapazität in Anspruch. Keine Ahnung, warum. Aus irgendeinem Grund blockiert
     er die Computer, die er befällt, für |210| andere Viren. Er konkurriert mit ihnen sozusagen um Lebensraum und verdrängt sie aus dem Netz, so

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