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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hatten Sie, als Sie Ihre Freundin im Kingdom Hospital besuchten, einen epileptischen Anfall, bei dem Sie stürzten und sich den Kopf aufschlugen. Deshalb habe ich Sie auch gefragt, ob Sie sich an etwas Merkwürdiges oder Ungewöhnliches in Verbindung mit diesem Vorfall erinnern. Hatten Sie irgendwelche seltsamen Empfindungen oder Erlebnisse?«
    Ich setzte mein freundlichstes Gesicht auf und schaute den guten Doktor mit glänzenden Augen an.
     
    »Ich hätte noch ein Zitat von Thomas Szasz für Sie, das Ihnen vielleicht gefallen wird«, bot ich an.
    »Dann erbauen Sie mich doch damit, Mrs. Druse.«
    »›Im Tierreich gibt es die Regel: Friss oder du wirst gefressen; bei den Menschen gilt: Definiere oder du wirst definiert.‹ Sie versuchen doch nicht etwa, mich zu definieren, Dr. Metzger?«
    AUSERWÄHLT
    Ich musste wieder einmal eingenickt sein, denn als ich die Augen öffnete, sah ich Bobbys wuscheligen Lockenkopf, der hinter dem Sportteil des Boston Globe hervorlugte.
    »Bobby, ich bin ja so froh, dass du hier bist! Was hast du in Lewiston herausgefunden?«
    Er beugte sich über mich und küsste mich auf die Stirn, bevor er sich wieder auf den Stuhl sinken ließ und sich erneut hinter seiner Zeitung verschanzte.
    »Herausgefunden worüber, Mom?«, nuschelte er.
    »Über Madeline Kruger. Hast du ihren Abschiedsbrief bekommen?«
    Bobby stöhnte hinter seiner Zeitung.
    »Ich habe mich erkundigt, Mom. Wenn du den Brief haben willst, musst du ihn dir von Madelines Familie besorgen. An ihre Krankenakte komme ich nicht ran, und höchstwahrscheinlich ist der Brief auch gar nicht drin. Im Kingdom haben sie mir gesagt, dass er vielleicht bei der Polizei oder beim Coroner ist. Und jetzt sag bitte nicht, dass ich da auch noch anrufen soll!«
     
    »Wer regelt eigentlich ihren Nachlass, Bobby? Madeline hatte zwei Töchter und einen Sohn, die mittlerweile alle erwachsen sind. Und hoffentlich so verantwortungsvoll, dass sie sich gewissenhaft um den Nachlass ihrer Mutter kümmern.
    Ruf sie bitte an und sage ihnen, dass ich bei ihrer sterbenden Mutter war. Dass man mich vom Krankenhaus aus angerufen und mir gesagt hat, dass Madeline einen Brief für mich geschrieben hat. Bobby, die letzten Worte, die sie in dieser Welt geschrieben hat, waren an mich gerichtet. Verstehst du nicht, wie wichtig das ist?«
    Bobby seufzte laut auf und hob die Zeitung noch ein Stück höher. Ich sollte wohl nicht sehen, dass er die Seite mit den Sportwetten studierte, weil er genau wusste, dass ich es nicht mag, wenn er sein sauer verdientes Geld auf die Red Sox oder die Celtics verwettet.
    »Mom, ich werde sehen, was ich machen kann. Vielleicht fahre ich mal bei ihnen vorbei. Bevor Ray nach Reno gezogen ist, habe ich mit ihm ab und zu mal im Piece of Work oder im Holly ein Bier getrunken. Jetzt wohnt er wieder hier. Ich habe gehört, dass die Alte – ich meine natürlich seine Mom – ihm etwas Geld hinterlassen hat. Jedenfalls soll er neulich im Piece beim Billardspielen gewesen sein und ordentlich einen draufgemacht haben.«
    »Bobby, ich brauche unbedingt diesen Brief. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe das Gefühl, dass das alles irgendwie zusammenhängt. Und außerdem«, sagte ich und zeigte dabei auf mein erstes Notizheft, das ich mittlerweile fast ganz voll geschrieben hatte, »brauche ich ein neues Notizbuch, ein richtig dickes.«
    »Stimmt, du hast hier ziemlich viel geschrieben. Geht es darin wieder um deine Geister?«
    »Bobby, man hat mich für etwas auserwählt. Ich spüre es.« 
    »Auserwählt wofür, Mom?«, nuschelte er hinter seiner Zeitung hervor.
    Ich beschloss, dass es nun an der Zeit war, ihn wenigstens in ein paar meiner Geheimnisse einzuweihen.
    »Ich wurde auserkoren, Dinge zu sehen, die Normalsterbliche nicht sehen können«, antwortete ich.
    »Das wolltest du doch schon immer, Mom, nicht wahr?«
    »Ja, das wollte ich, Bobby, aber jetzt ist es wirklich der Fall.
    Ich habe … ich glaube, ich wurde auserwählt, weil man mir etwas offenbaren will. So ähnlich wie bei Swedenborg, der in seinen Visionen Himmel und Hölle bereist und sich unterwegs mit Engeln unterhalten hat.«
    »Ach, Mom, jetzt fang nicht schon wieder mit deinem geborgten Schweden an. Immer, wenn dir nichts mehr vom Dalai Lama einfällt, zitierst du diesen Swedenborg! Von mir aus kannst du dieses ganze Zeug ruhig lesen. Für mich ist das alles okay, das weißt du. Ich laufe mir auch gern die Hacken ab, um in irgendwelchen Antiquariaten oder Bibliotheken nach

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