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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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einstufen, die unter ausgeprägten Anfällen litt. Mein Kopf schmerzte, und mittlerweile war ich bereit, alles zu glauben, womit ich mir nur erklären konnte, was in jener Dezembernacht im Kingdom Hospital mit mir geschehen war.
    Mein ganzes Leben lang hatte ich auf einen Engel, eine Vision, eine außerkörperliche Erfahrung oder eine aufregende Heimsuchung gewartet, die mir beim Anblick dieser Welt der Wunder vor Freude den Atem stocken und mich mit meinen eigenen Augen erkennen ließ, was mir mein Glaube bereits jahrzehntelang gesagt hatte: dass die spirituelle Welt, obgleich unsichtbar, untrennbar mit der materiellen Welt verbunden ist und das Leben wie das Blut in unserem Körper beide durchströmt: Es gibt kein Diesseits und kein Jenseits, nur eine große, alles umfassende Einheit! Und Sally Druse mittendrin!
    Aber was, wenn tatsächlich epileptische Anfälle die Erklärung für all die außergewöhnlichen Dinge waren, die ich bisher erlebt hatte? Nicht nur für die Ameisen in Madelines Leiche, sondern auch für meine transzendentalen Erfahrungen und das andächtige Glücksgefühl, das mich in den endlosen Traumwelten meiner Meditationen durchströmte? Was dann?
    Was, wenn die unendlichen Weiten meines gesamten spirituellen Lebens lediglich von einer Hirnverletzung herrührten?
    Die Gänge des Boston General waren bevölkert von Krankenhauspersonal und Patienten. Kranken und gesunden, gehetzten und gelangweilten. Ich sah jedem Einzelnen, der an mir vorüberging, in die Augen und fragte mich, welche Anomalien der chemischen Zusammensetzung seines Gehirns und welche organischen Syndrome ihn wohl zu dem machten, was er war. War die gockelhafte Aufgeblasenheit dieses fürchterlichen Dr. Stegman vielleicht auch nur die Folge einer Hirnblutung? Und wenn ja, würde er einer Operation zustimmen, damit die Defekte seiner Persönlichkeitsstruktur behoben werden könnten? Und wollten Neurochirurgen etwa Barbra Streisand oder Rush Limbaugh den Schädel aufmeißeln, bloß weil sie so haarsträubenden Blödsinn verzapften?
    Als ich von meinem Ausflug zurückkam, war es im Raum ganz still, und ich beschloss hier und jetzt, meiner geheimnisvollen Zimmernachbarin entgegenzutreten, die offenbar so krank war, dass sie mich weder hören noch mir antworten konnte und von zwei Schwestern gewaschen werden musste.
    Ich setzte mich auf die Kante meines Bettes und spürte das warme Licht der aufgehenden Sonne, in deren schräg durch das Fenster einfallenden Strahlen Bobbys Blumen noch hübscher aussahen.
    »Mrs. Conlan?«, sagte ich in Richtung des Vorhangs, der unsere Betten voneinander trennte. »Mein Name ist Sally Druse. Ich bin Ihre neue Zimmernachbarin und würde gerne zu Ihnen hinüberkommen und mich Ihnen vorstellen, wenn Ihnen das recht ist.«
    Es blieb still im Zimmer, aber eine halbe Minute später hörte ich ein leises Stöhnen, gefolgt von einem tiefen Gurgeln und dem metallischen Scheppern, als rüttelte Mrs. Conlan wieder kräftig am Bettgitter. Besorgt stand ich auf und ging ans Fußende ihres Bettes, wo die Vorhänge einen Spalt weit offen standen. Der helle Stoff der Vorhänge verwandelte die harten Sonnenstrahlen in ein weiches, diffuses Dämmerlicht, das nicht von dieser Welt zu sein schien.
    Auf dem Bett lag ausgestreckt auf dem Rücken eine ausgezehrte, schrecklich anzusehende Gestalt. Hätte man sie nicht auf beiden Seiten mit dicken Kissen fixiert, würde sie sich vermutlich immer weiter in Embryonalstellung zusammenrollen. Obwohl sie noch ziemlich jung zu sein schien – ich schätzte sie auf um die dreißig – hatte schweres Leid tiefe Furchen in ihr verzerrtes Gesicht gegraben. Den Kopf hatte sie in einem Bogen weit nach hinten gereckt, als wollte sie unbedingt erkennen, was sich oberhalb des Kopfendes ihres Bettes befand. Sie schien hellwach zu sein, hatte aber ihre Augen in den tiefen, dunklen Höhlen so weit nach hinten verdreht, dass von ihnen nur das Weiße zu sehen war. Mrs. Conlans Mund stand weit offen, als wäre ihr Unterkiefer, der Schwerkraft folgend, nach unten gefallen. Ihr Kinn zitterte bei jedem Atemzug, und ihre Hände wirkten mit ihren nach innen gekrümmten Fingern wie die Klauen eines toten Vogels. Spezielle Schienen an ihren Handgelenken verhinderten, dass sie sich die Fingernägel in die Handflächen bohrte. Ständig bewegte sie den Mund, als würde sie kauen, ohne jemals zu schlucken. Ihr ganzer Körper war entsetzlich dürr, ein menschlicher Brosame vom Mahl der Natur, dessen trauriger

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