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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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lassen.
    Morgens ging es Nancy immer etwas schlechter, aber an diesem Vormittag kam sie mir besonders unruhig vor. Sie schlug mit ihren gefesselten Händen an die Bettgitter, schnellte hin und wieder nach vorne und gab würgende Geräusche von sich. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und verdrehte die Augen so, dass sie auf die Wand hinter ihrem Bett zu starren schien. Ich hatte das Gefühl, als lebte ihr Körper mit fortschreitendem Verfall ihres Gehirns selbstständig weiter wie ein geköpftes Huhn oder ein Frosch mit durchtrenntem Rückenmark.
    Aus den Gesprächen der Schwestern erfuhr ich, dass sie Nancy auf Stegmans Anweisung hin seit gestern keinerlei Beruhigungsmittel verabreicht hatten, damit sie bei der Chefarztvisite so »wach« wie möglich war. Diese Vorstellung ließ die Schwestern losprusten. Jetzt verstand ich, weshalb Nancys spastisches Geröchel und ihre unkontrollierten Bewegungen seit letzter Nacht immer schlimmer geworden waren. Vermutlich plante Stegman, vor der versammelten Mannschaft seiner Speichellecker in die Hände zu klatschen und die arme Nancy wie einen Seehund Männchen machen zu lassen. »Sehen Sie?«, würde er dann fragen. »Sie reagiert doch. Wie können wir einer solchen Patientin, die noch ihr ganzes Leben vor sich hat, die künstliche Ernährung verweigern?«
    Ich hoffte inständig, dass sich diesem Mann, der durch seinen dämonischen Ehrgeiz unsägliches Leid über Nancy und ihre ganze Familie gebracht hatte, der Anblick dieser jämmerlichen Kreatur so tief ins Gedächtnis einbrannte, dass er ihn sein Leben lang nicht mehr loswurde.
    Punkt acht Uhr marschierte Dr. Stegman an der Spitze von etwa zwanzig Assistenzärzten und angehenden Fachärzten in unser Zimmer. Zuerst scharten sie sich um mein Bett. Obwohl sich mein Hirn in seinem von den Medikamenten gedämpften Dämmerzustand befand, hatte ich schreckliche Kopfschmerzen, und als Dr. Stegman mich fragte, wie ich die Tabletten vertrüge, kam es mir vor, als würde jemand anderes für mich antworten.
    Erstaunt stellte ich fest, dass ein Teil meines Gehirns auf wundersame Weise noch in der Lage war, ihm mit einem Zitat aus dem Matthäusevangelium zu antworten. »Die Lampe des Leibes ist das Auge«, sagte ich. »Wenn nun dein Auge klar ist, so wird dein ganzer Leib licht sein; wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß ist da die Finsternis!« 
    Stegman drehte sich zu einer hübschen Fachärztin im zweiten Ausbildungsjahr um und sagte: »Notieren Sie bitte: Nach wie vor religiöse Wahnvorstellungen.«
    Dann wandte er sich wieder an mich. »Fahren Sie bitte fort«, sagte er. »Lassen Sie sich von uns nicht stören.«
    »Die Tabletten trüben meinen Blick und verfinstern das Licht«, sagte ich. »Und wenn meine Augen schlecht sind, ist mein Körper in der Finsternis.«
    Stegman nahm sein Diktiergerät und sprach, während er im Zimmer auf und ab ging, hinein: »Zimmer 959, Bett zwei, eine Mrs …«
    Die hübsche angehende Fachärztin hob meine Krankenakte hoch und deutete mit einem knallrot lackierten Fingernagel auf das Schild mit meinem Namen.
    » … Drusey. Klagt darüber, dass die zweimal täglich verabreichte Dosis von 100 Milligramm Scyllazin einen Zustand halb freiwilliger Apraxie hervorruft. Klagt außerdem über Sehstörungen. Überweisung an Dr. Burt in die Ophthalmologie, um Makuladegeneration und grauen Star auszuschließen.«
    Stegman lächelte mir gequält zu und dirigierte sein Gefolge zu Nancys Bett, wo die Hauptvorstellung stattfinden sollte.
    Tiffany hatte den Vorhang nicht ganz zugezogen, so dass ich durch einen Spalt an der Wand Nancys aufs Kissen zurückgeworfenen Kopf und ihr zu einer schrecklichen Grimasse verzerrtes Gesicht sehen konnte. Sie gab wieder diese grässlichen, wie halb ersticktes Lachen klingenden Geräusche von sich, warf sich von Zeit zu Zeit spastisch hin und her und schnellte bisweilen ohne ersichtlichen Grund ruckartig nach vorn.
    Stegman spielte sich auf wie der Direktor einer Freakshow, der dem staunenden Publikum seine neueste Missgeburt präsentiert. Er plauderte eloquent von Erkrankungen, Syndromen und Folgekrankheiten, von Laborwerten, CT-Diagnostik und Testergebnissen. Dann ging er ans Kopfende des Bettes, leuchtete Nancy mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen und sagte: »Typischer Fall von Blickkrampf.«
    Dann deutete er auf ihre Hände, die an die Krallen eines verendeten Vogels

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