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Das Tagebuch der Eleanor Druse

Das Tagebuch der Eleanor Druse

Titel: Das Tagebuch der Eleanor Druse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Atemzug ganz schwummrig. Der Raum fing an sich zu drehen, und ich musste die Augen schließen, damit mir nicht schwindelig wurde. Ich spürte, wie Dr. Gottreich mein linkes Augenlid anhob, und sah, dass er das eispickelartige Instrument genau so in der Hand hatte, wie es auf dem Plakat an der Wand abgebildet war. Seine Spitze war direkt auf mich gerichtet. Ich spürte ein leichtes Druckgefühl oberhalb meines linken Auges, gefolgt von einem Stich und dann einem starken Schlag. Eine rote Explosion im Inneren meines Kopfes. Ich stieß ihn weg. Der süßliche Geruch machte mich ganz benommen.
    Das Mädchen mit der Glocke fing an zu schreien, und seine Tränen liefen ihm wie schwarze Rinnsale über die Wangen, so, als weinte es Tinte oder dunkles, venöses Blut. Ich spürte, wie der Behandlungstisch unter seinen lauten Schreien zu vibrieren begann. Dann fing das harte Polster unter mir an zu zittern und zu beben, und dann sah ich, wie auch die Wände und die Medizinschränke auf einmal wackelten und Instrumente, Flaschen und Glasbehälter aus den Regalen fielen und auf dem Boden zerschellten.
    Ein Erdbeben.
    Das kleine Mädchen ging zur Tür und winkte mir zu, damit ich ihm folgte. Es schrie noch immer aus vollem Hals, und mir kam es so vor, als ob es diese Schreie wären, die das Krankenhaus in seinen Grundfesten erzittern ließen und so das Erdbeben auslösten.
    Das Mädchen winkte mir noch einmal zu. Beeil dich!
    Ich sprang vom Tisch, wich Gottreichs ausgestrecktem Arm aus und rannte zur Tür. Als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, wie der ganze Raum wackelte und sich im Zementboden lange Risse auf taten.
    »Hier geblieben!«, rief Dr. Gottreich. »Du kommst sofort zurück und legst dich wieder auf den Tisch, junges Fräulein!«
    Mit dem fürchterlichen Instrument in der Hand machte er schwankend ein paar Schritte auf uns zu.
    An der hinteren Wand des Raums riss auf einmal eine Gasleitung, die zu einem der Bunsenbrenner führte. Das ausströmende Gas entzündete sich an der Flamme eines anderen Brenners und schmorte eine weitere Leitung aus Gummi an, bis auch diese barst und mit ihrem Gas den Brand noch weiter vergrößerte. Schließlich erreichte das Feuer eine Holzkiste mit Reagenzgläsern, die sofort in Flammen aufging.
    Ich war schon an der Tür, als ich den Schrank mit dem Feuerwehrschlauch hinter der Glasscheibe sah: IM BRANDFALL SCHEIBE EINSCHLAGEN. Und daneben …
    Ich nahm die rote Axt mit dem großen, glänzenden Kopf mit beiden Händen, hob sie über meine rechte Schulter und holte aus, um die Scheibe einzuschlagen. IM BRANDFALL … Auf einmal packte mich eine knochige Hand an der anderen Schulter und riss mich herum. 
    Es war Dr. Gottreich, und sein Gesicht war so wutverzerrt, als machte er mich für das Feuer verantwortlich. An dem Instrument in seiner Hand war Blut. Mein Blut. Er machte einen Schritt nach vorn, um sich auf mich zu stürzen, aber in diesem Augenblick läutete das kleine Mädchen wieder seine Glocke. Es stand links von mir, und neben ihm tauchte auf einmal ein Monster auf, eine Kreatur, wie ich sie noch nie gesehen hatte und die entfernt einem Schakal oder einem riesigen Ameisenbär ähnelte, jedoch wie ein Mensch auf ihren Hinterbeinen stand. Auch die Augen der Kreatur sahen aus wie die eines Menschen, aber ihre entblößten, weißen Zähne waren spitz und rasiermesserscharf. Dieses grauenvolle, furchteinflößende Geschöpf schien dem kleinen Mädchen zu gehorchen wie ein lammfrommes Haustier.
    Gottreich machte nicht den Eindruck, als ob er die beiden sehen könnte, aber das Läuten der Glocke hörte er offenbar doch, denn als er mich schon fast erreicht hatte, hielt er inne und drehte den Kopf in die Richtung des Geräuschs.
    Das war sein Fehler!
    Als er sich mir wieder zuwandte, war es zu spät. Als ich sah, dass sich seine Hand so fest um den Griff des Eispickels krampfte, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, schlug ich, obwohl ich vom Geruch der öligen Flüssigkeit noch immer ziemlich benommen war, ohne lange nachzudenken zu. Die Jungs in der South Lewiston Little League konnten ein Lied davon singen, was für einen gewaltigen Schlag Sally Druse mit dem Baseballschläger draufhatte. Und wenn sie musste, konnte sie auch treffen, und in dieser Situation musste ich es wirklich, wenn ich nicht wollte, dass er mir noch einmal mit dem Eispickel ins Auge stach. Ich sah die Reflexion der Axt in Gottreichs Stirnspiegel und zielte auf seine Schläfe. Dann schloss ich die Augen,

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