Das Tagebuch der Eleanor Druse
berichteten von rätselhaften Störfällen an diversen Maschinen und Einrichtungen wie den Aufzügen, der Heizung und der Klimaanlage. Außerdem war es zu merkwürdigen Zwischenfällen in den Labors gekommen, und auf Röntgenaufnahmen waren unversehens rätselhafte Gegenstände aufgetaucht.
Zum Glück kannte ich immer noch einige Patienten auf der Station Sonnenschein, die mir, wie etwa Mrs. Kinney, telefonisch von diesen Vorfällen berichteten.
Die Angestellten des Kingdom Hospital hingegen schwiegen eisern, was sicherlich auf einen Erlass von Dr. James zurückzuführen war. Der geistige Vater der unseligen Operation Morgenluft drohte jedem mit sofortiger Kündigung, der Späße oder Streiche ausheckte, die das Krankenhaus als Ort irgendwelchen übernatürlichen Spuks oder paranormaler Vorgänge in Misskredit brachten. Selbst wer derartige Gerüchte diskutierte oder weiterverbreitete, musste mit dem sofortigen Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen. Besonders empfindlich reagierte Dr. James darauf, wenn Angestellte mit Journalisten über die lokal begrenzten Erdbeben sprachen, vermutlich deshalb, weil das als Beweis dafür gelten könnte, dass das Kingdom Hospital auf instabilem Grund erbaut war.
Es war eine Sache, den Mitarbeitern im Hinblick auf seltsame Erscheinungen und durch das Krankenhaus spukende Gespensterärzte per Erlass den Mund zu verbieten, reale Risse in den Kellergewölben oder geplatzte Wasserrohre in den Versorgungsschächten wegdiskutieren zu wollen aber eine gänzlich andere. Die Vorschriften, die den Mitarbeitern untersagten, übernatürliche Vorgänge im Kingdom zu besprechen, wurden erlassen, nachdem die Krankenhauskette Wellness America starkes Interesse daran bekundet hatte, das Kingdom Hospital zu übernehmen. Die Anwälte des Kingdom wiesen den Aufsichtsrat des Krankenhauses darauf hin, dass der Verkäufer von Gesetzes wegen dazu verpflichtet sei, jegliche Mängel des betreffenden Objekts offen zu legen, unabhängig davon, wie rätselhaft oder unerklärlich diese auch sein mochten. Als die Investmentbanker und Anwälte von Wellness America erst einmal mit ihren sorgfältigen Routineuntersuchungen begonnen hatten, fanden sie bald das heraus, was ich sofort intuitiv gespürt hatte, als ich das Krankenhaus zum ersten Mal betreten hatte: dass das Kingdom Hospital nicht bei bester Gesundheit war.
Die Wissenschaftler, Experten und Ingenieure hatten unterschiedliche Erklärungen für die seltsamen Vorfälle: Die einen führten sie auf Konstruktionsfehler zurück, die anderen darauf, dass das Gebäude nicht den Prinzipien des Feng Shui entspräche. Wieder andere führten als Erklärung die tektonische Plattenverschiebung oder sogar das Sick-Building-Syndrom an (eine Diagnose, der ein Verwaltungschef, der noch halbwegs bei Sinnen war, wohl nicht allzu viel abgewinnen konnte). Trotz aller Erklärungsversuche spürten sowohl die Patienten als auch das Personal und bisweilen sogar die Besucher, dass die vor ihrer Zeit auftretenden Verfallserscheinungen, Versorgungsunterbrechungen und Störfälle an allen möglichen Geräten auf sehr viel mysteriösere und beängstigendere Ursachen zurückzuführen waren. Für sie litt das Kingdom Hospital an einer Krankheit, die Ärzte als Idiopathie bezeichnen, eine Krankheit mit nicht erkennbarer Ursache.
Die vom Krankenhaus beauftragten PR-Berater leisteten hervorragende Arbeit, indem sie eine geschickte Informationspolitik betrieben. In ihren taktisch ausgeklügelten Verlautbarungen war lediglich von der Existenz gewisser Gerüchte über seltsame Vorfälle die Rede, die sich angeblich auf dem Gelände des größten und modernsten Krankenhauses im Süden Maines ereignet hätten. Eine ganze Reihe von Aufsichtsratsmitgliedern des Kingdom Hospital saß auch im Aufsichtsrat der Lokalzeitung, die deshalb peinlich genau darauf bedacht war, den Ruf des Krankenhauses nicht zu schädigen. So fand man dort höchstens sehr zurückhaltende Berichte über lokal begrenzte Erdbebenherde oder kleinere bauliche Mängel.
Zu ihrer Verteidigung muss gesagt werden, dass die Experten, welche die Folgen dieser ungewöhnlichen Beben mit ihren Formeln und Belastungstests schönredeten, die Öffentlichkeit nicht bewusst über die beunruhigenden Probleme am Kingdom Hospital belogen. Sie taten etwas viel Schlimmeres: Sie belogen sich selbst, um später, wenn sie von Reportern befragt wurden, guten Gewissens falsche Aussagen machen zu können. So führten sie komplizierte Theorien über
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