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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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Nacht blickte, den Regen betrachtete, der in langgezogenen Fäden auf die Häuser und Gärten niederprasselte, wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn darum beneidete.

26
     
    Vier Männer standen vor dem Zugangstor zur Hart-Island-Fähre. Alle waren dunkel gekleidet und wirkten wie Schläger, die auf ein Opfer warteten, um es nach einer Spezialbehandlung in eine dieser Holzkisten für den Friedhof zu verfrachten.
    Der Regen hatte beinahe aufgehört. Nur noch vereinzelt konnte ich Tropfen erkennen, die in den Pfützen der wellig asphaltierten Zufahrt sstraße ein schlugen. Der Wind rüttelte an dem Schild mit der Aufschrift Restricted Area , das an einem Gitter neben dem Zugangstor montiert worden war. Sperrgebiet. Wie Melinda Hunt vom Hart-Island-Project geschrieben hatte – die Insel der Toten ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich . Eine Genehmigung für den Besuch von Hart Island dauerte Monate. Sofern man eine erhielt . Wenn man jedoch unbedingt innerhalb von zwei Wochen auf die Insel wollte, gab es demnach genau einen Weg: Sterben.
    Wassermassen donnerten gegen die Küste. Obwohl das Licht der Straßenlaternen die Wasseroberfläche kaum erreichte, konnte ich die weißen Schaumkronen erkennen, die zornig auf den meterhohen Wellen tanzten. Wie ein Teppich aus Teer zog sich das Schwarz zum Horizont, wo sich Hart Island vage abzeichnete. Dass sich dort draußen eine Insel befand , konnte ich nur anhand eines grellen Lichtpunktes erkennen, der sich im Gegensatz zur Beleuchtung einzelner wild schaukelnder Boote in keine Richtung bewegte.
    »Jack Reynolds?« Einer der Männer kam auf mich zu. Kurzes stacheliges Haar betonte eine hohe Stirn. Die Kapuze der Windjacke flatterte wie ein lockeres Segel. Tiefe Furchen umspannten seine Lippen – das einzige Indiz auf sein Alter, das ich auf etwa vierzig Jahre schätzte. Er hatte seine Augen zu Schlitzen verengt, was in erster Linie an der Böe lag, die in diesem Moment Regentropfen in sein Gesicht blies. »Detective Hiller«, fuhr er fort. »Eine tolle Nacht haben Sie uns da beschert.«
    Ich streckte ihm die Hand entgegen. »Gegen meine Nacht ist das hier nur noch eine nette Draufgabe.« Ich hob die Plastiktüte in die Höhe. »Die Bilder.« Hiller schüttelte zuerst meine Hand und fasste dann nach der Tüte, bedankte sich dafür und meinte, dass ich dafür eine Quittung bekommen würde. Ich lehnte dankend ab und sagte ihm, dass er die Bilder gerne behalten dürfte.
    »Wie Sie wollen.« Er zuckte mit den Schultern. »Fahren wir? Die Jungs vom City Island Jail sind schon fleißig am Graben.« Er gab einem der Männer die Plastiktüte und stapfte in Richtung Steg.
    Ich folgte ihm und den Männern, die sich wie eine Schar junger Gänse hinter dem Detective hielten. Der Boden bebte, als die Wellen gegen die Pfeiler des Steges donnerten. Eine salzige Gischt fegte über uns hinweg. Hiller hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen und verschnürte die Bänder unter seinem Kinn . »Wird eine unangenehme Überfahrt. Das kann ich Ihnen garantieren!«, rief er mir zu und zeigte zum Ende des Steges. Der Dieselmotor des Fährschiffes knatterte und der wuchtige Wellengang drückte den Bug wieder und wieder gegen die Stegwand, als ver suchte der Ozean, dieses orange farbene, stinkende Unding aus dem Wasser zu spucken.
    Hiller sprang auf das Boot und verschwand augenblicklich in der Kajüte. Was bei ihm spielerisch ausgesehen hatte, erwies sich bei mir als waghalsiges Manöver . Die Bordkante hob sich gut einen Meter über den Steg und ich musste den geeigneten Zeitpunkt abwarten, um an Bord springen zu können. Der Schiffsboden war nass und die fünf Schritte, die ich bis zur Kajütentür zurücklegen musste, waren mehr geschlittert als gegangen.
    In der Kajüte befanden sich insgesamt acht Sitzbänke, in zwei Reihen angeordnet. Jeweils zwei Bänke blickten zueinander. Hiller hatte sich auf die vorderste linke Bank gesetzt und beide Arme um eine Stange auf der Rückenlehne gelegt. Ich setzte mich gegenüber, schlitterte infolge einer Seitenbewegung des Bootes nach rechts und hatte kurz darauf die gleiche Stellung wie der Detective eingenommen. Er grinste.
    »Das wird noch besser! Warten Sie, bis wir losfahren. Eine Achterbahn ist dagegen ein Mäusefurz.«
    »Sie haben das wohl schon öfter erlebt?«
    Hiller nickte. »Ich segle, wann immer es geht. Und bei einem Wind wie diesem macht es erst so richtig Spaß.
    Bob?«
    Einer der Männer blickte zu uns. Hiller nickte ihm zu. »Die

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