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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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schütteten, was sich in den letzten Jahren an Wasser aufgestaut hatte.
    Hiller stellte sich neben mich. »Die Männer wissen, worum es geht«, sagte er. »Dass sie uns helfen, einen Mädchenmörder zu fangen. Ich habe den Wachleuten in City Island gesagt, sie sollen Freiwillige auf die Insel mitnehmen.« Er stieg den Rand der Grube hinab und blickte zu mir hoch. » Alle wollten mit.«
    Hiller rutschte in das Loch und stellte sich neben die Strafgefangenen. »Gute Arbeit, Jungs«, sagte er und griff nach einer Schaufel, die gegen die aufgestapelten Särge gelehnt worden war. Dann stach er in die Erde und warf nasses lehmiges Geröll zur Seite.
    Es dauerte etwa z ehn Minuten, bis der Sarg beim Kopf- und Fußende so weit freigeschaufelt war, dass die Männer ihn aus der Grube hieven konnten. Einer der Wachebeamten holte ein langes Stemmeisen aus dem Lieferwagen und setzte es unter dem lehmverschmierten Sargdeckel an. Die Nägel quietschten, als sie aus dem nassen Holz glitten. An einer Seite knackte eine Latte. Zwei der Gefangenen und Hiller rissen schließlich den Deckel von dem Sarg. Die beiden Häftlinge sprangen schnell einen Schritt zurück und wandten sich angeekelt ab. Hiller blickte in den Sarg und grinste mich dann an.
    »Ich glaube, eine Identifikation durch Sie ist da kaum noch möglich. Da müssen wir auf jeden Fall die DNS analysieren«, sagte er und winkte mich zu sich. »Aber schauen Sie doch selbst.«
    Erde hatte sich seitlich durch die Spalten zwischen den Holzlatten in den Sarg gedrückt und rann nun als hellbraune Brühe zum Sargboden. Asseln und Würmer krochen die Holzbretter am Boden entlang und suchten hastig einen Fluchtweg, um der Helligkeit zu entkommen.
    Die Leiche starrte mich a us augenlosen Höhlen inmitten eines hautlosen Gesichtes an . Der lippenlose Mund war weit aufgerissen, als wäre diese Person – es war nicht zu erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte – während des Schmerzensschreis gestorben. Da und dort hingen an den Backenknochen noch Klumpen verwesendes Fleisch in schleimigem Braun. Die Beine waren angewinkelt und auch an den Ober- und Unterschenkelknochen waren nur noch vereinzelt Reste von verfaultem Fleisch zu erkennen. Ein Arm war zum Kopf gebogen, die Finger zum Gesicht gerichtet, als wollte er sich die letzten Fleischreste vom Schädelknochen reißen. Der andere Arm fehlte. Er lag neben ihm im Sarg. Jemand hatte ihn aus der Schulter gebrochen und ich wusste, warum: Dieser Mensch hätte anderenfalls nicht in diesen Sarg gepasst. Denn ich war überzeugt, dass er den Arm ausgestreckt hatte. Flehend . Um Gnade brüllend. Wie in d em Bild, das ich während der Überfahrt vor meinem geistigen Auge gesehen hatte.
    »Sie haben Recht, Detective. Nicht zu erkennen.«
    Hiller klopfte mir auf die Schulter und rief einen seiner Männer herbei. Der legte den Aluminiumkoffer auf den Boden und holte ein Röhrchen und eine kleine Zange heraus. Nachdem er sich Gummihandschuhe über die Hände gezogen hatte, zupfte er Fleischreste von Gesicht, Arme n und Beine n , schob sie in das Rohr, verschloss es und verstaute es sorgfältig im Koffer.
    »Das wär‘s für‘s Erste«, sagte er, immer noch mit bleicher Haut, die durch das grelle Halogenlicht in einem grünlichen Teint schimmerte.
    Dann holte er drei in Kunststoff eingepackte Tupfer und ein weiteres Röhrchen aus dem Koffer. Er bat mich den Mund zu öffnen und strich dann mit jeweils einem Tupfer an den Innenseiten meiner Wangen entlang. Mit dem letzten tupfte er Speichel unter meiner Zunge ab. Nachdem er die Stäbchen in das Rohr geschoben und dieses im Koffer verstaut hatte, blickte er zu Hiller. »Fertig.«
    »Dann lasst uns abhauen«, sagte der Detective und ich glaubte, in Conrads Gesicht Entsetzen zu erkennen. Seine Finger zitterten, als er die Verschlüsse des Koffers einschnappen ließ.
    Hiller sprach noch mit den Wachebeamten und lobte abermals die Arbeit der Männer. Er gab einem der Beamten einen Geldschein und sagte, dass er den Jungs eine ordentliche Portion heißen Kaffee zukommen lassen sollte. Dann ging er zum Lieferwagen.
    Ich blickte in den Sarg. Auf diesen Schädel, der mich nach wie vor anstarrte. Ich meinte, die Schreie zu hören, die Hitze der Flammen zu spüren und diesen Gestank zu riechen – Petroleum und verbrennendes Fleisch, das sich unter der plötzlichen Hitze vom Knochen schälte, auf dem das Blut in brutzelnden Bläschen kochte.
    »Mister Reynolds!« Hiller stand beim Lieferwagen

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