Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
überzeugt, Stimmen von Kindern gehört zu haben. Kinder, die Jahre zuvor in diesem Raum von deren Mutter umgebracht worden waren – wie der Psychologe dazu angemerkt hatte. Die Werwölfin hatte man sie genannt, was Hiller sofort an die Zeichnungen mit dem Wolf und den Mädchen erinnerte, von denen inzwischen feststand, dass Jack Reynolds sie gemalt hatte.
Reynolds hatte die Krankheit seiner Mutter miterleben müssen, den langsamen Verfall und letztlich deren Tod. Dazu kam die Depression seines Vaters. In Kombination hatte das zu einer starken Alkoholabhängigkeit geführt, die Reynolds mehr und mehr in die Jahre seiner Jugend zurücktrieben hatte, bis zu jenem Jahr, in dem dieses traumatische Erlebnis stattfand. In den Gesprächsprotokollen des Psychologen tauchte immer wieder die Fantasie bezüglich eines Bildes auf, das sein Vater gemalt hatte. Eine Puppe, die an Stahlseilen auf einer Bühne tanzte. Laut FBI-Psychologen hatte dieses Bild eine wesentliche Auswirkung auf die Entwicklung seines Sexualverhaltens, w as darin resultierte, dass Jack Reynolds nur sexuelle Befriedigung erlangen konnte, wenn sein e Partner in wie eine Puppe an Seilen vor ihm tanzte. Wahrscheinlich, meinten die Psychologen, hatte er anfangs mit Puppen masturbiert und letztlich mehr und mehr den Drang verspürt, Mädchen in Puppen zu verwandeln. Dafür waren gelähmte Mädchen sehr geeignet. Erstens konnten sie nicht fliehen und zweitens verschafften sie ihm die Überzeugung, er würde sie in irgendeiner Art heilen. Ihnen das Gehen schenken, wie sein Vater, dessen diesbezügliche Erfolge sehr wahrscheinlich in diese Fantasien eingebaut worden waren. Reynolds Alkohol- und möglicherweise auch Drogensucht hat in Verbindung mit dieser Persönlichkeitsstörung dazu geführt, dass er diesen inneren Drang nicht mehr länger unterdrücken konnte. Vielleicht hatte er sich eine weitere Persönlichkeit geschaffen. Einen Werwolf, der für ihn mit Sicherheit das Böse versinnbildlichen sollte. Mit dieser Persönlichkeit hat er schließlich die Mädchen, die er während der Feuerwehr-Fragestunde getroffen hatte, gemalt und damit seine Fantasien auf Papier gebannt, um sie dann in die Realität umzusetzen.
Die Amnesie könnte einerseits aus der Alkoholsucht resultieren, andererseits ein Versuch seines Bewusstseins gewesen sein, das böse Ich abzuspalten, zu töten und all die Dinge zu vergessen, die es den Mädchen angetan hatte , bedauerlicherweise auch de re n Aufenthaltsort.
Die Profiler gingen davon aus, dass die drei Mädchen mittlerweile tot waren. Jack Reynolds hatte sie wie Puppen benutzt und sie nach seiner Befriedigung beseitigt. Er hatte nur noch auf Gelegenheiten gewartet, ihre Leichen loszuwerden. In der Zwischenzeit würde seine sexuelle Abartigkeit zu neuem Leben erwachen und er hatte bereits begonnen, neue Fantasien auf Papier zu bannen , die er dann, wenn die Gier nach Befriedigung übermächtig wurde, in die Tat umsetzen würde. Laut Profiler würde die Intensität und Abartigkeit der Fantasien mit fortlaufender Zeit ansteigen . Es würde mehr entführte Mädchen geben u nd sie würden noch grausamer und in kürzerer Zeit sterben.
Nach dem FBI-Profil war Jack Reynolds ein psychisch gestörter Mensch. Ein Monster, das aufgrund unerfüllter, abartiger Sexualbedürfnisse gelähmte Mädchen entführt und ermordet hatte.
Hiller gab den Profilern Recht. Jack Reynolds war ein Mensch mit psychischen Problemen. Vielleicht hatte sich seine Sexualität in eine seltsame Richtung entwickelt und vielleicht hatte er Fantasien, die andere als pervers und krank beschreiben würden. Das alles war für Hiller gut möglich.
Aber Jack Reynolds hatte diese Mädchen nicht entführt. Und er war kein Mörder.
Diese Überzeugung führte Hiller auf etwas zurück, das er als Menschenkenntnis bezeichnete. Er hatte Reynolds beobachtet, als er die Bilder der Mädchen auf der Fähre und hier im Büro betrachtet hatte. In seinen Augen spiegelte sich etwas, das Hiller nicht sofort einordnen konnte. Doch dann wusste er es: Es war aufrichtige Sorge und der unbändige Wille, diese Mädchen zu finden und de n Mörder der gerechten Strafe zuzuführen. Reynolds war ein Mensch, der für andere sein Leben geben würde. Ohne jede Gegenleistung. Er war jemand, der diese Mädchen beschützen wollte, der alles in Kauf genommen hätte, um ein einziges Leben zu retten. Hillers Annahme wurde von Reynolds Freund Dave Steward und seinen Kollegen bestätigt. Reynolds mochte ein
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