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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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einer bahnbrechenden Operation die Wirbelsäule des Mädchens wieder voll funktionstüchtig gemacht. Das Mädchen hatte danach wieder laufen können. »Stand damals in allen Zeitungen«, sagte Bob und fragte, ob Hiller das denn nicht gelesen hätte. Hiller hatte nicht. Daher forderte er bei der Medienabteilung des Departments den Zeitungsbericht an, bekam aber die Mitteilung, dass es etwas dauern könnte.
    Edward Reynolds war demnach ein Genie. Genie und Wahnsinn lagen aber bekanntlich eng beieinander, was sich bei Reynolds bestätigt hatte. Hiller rief Doktor Overlook an, deren Namen Hearing im Zusammenhang mit den Zeichnungen genannt hatte. Overlook bestätigte ihm einerseits, dass sie Jack Reynolds eine Mappe mit Zeichnungen seines Vaters ausgehändigt hätte. Andererseits gab sie Hiller – nach wiederholtem Hinweis, dass es sich um die Klärung zweier Mordfälle handelte – mehr oder weniger bereitwillig Auskunft über das Krankheitsbild des wahnsinnigen Genies.
    Edward Reynolds litt an Depressionen in Verbindung mit einer Persönlic hkeitsstörung, die sie als Zwang erklärte, auf andere Macht auszuüben, ohne auf deren Gefühle zu achten. Die Persönlichkeitsstörung hatten sie im Zuge der Therapien festgestellt, in denen die Depressionen behandelt worden waren. Die Depressionen standen in Zusammenhang mit dem Tod seiner Frau, vielmehr mit der Zeit vor deren Ableben. Sie starb an den Folgen von Kehlkopfkrebs.
    »Reynolds hat diese Zeit immer wieder verdrängt«, sagte Overlook. »Doch irgendwann drängen diese unterdrückten Emotionen zurück an die Oberfläche. Dann aber mit vielfacher Intensität. Reynolds hat sich im OP eingesperrt und sich den Oberkörper mit einem Skalpell aufgeschlitzt. Hat einen sauberen, tiefen Schnitt von links oben nach rechts unten gezogen. Er wurde aber rechtzeitig gefunden und einer seiner Kollegen hatte ihn wieder zusammengeflickt.« Hiller konnte Doktor Overlooks Grinsen durch den Hörer spüren. »Pech für einen Selbstmörder, wenn er die besten Chirurgen des Landes in Griffweite hat und noch dazu bereits auf dem OP-Tisch liegt.«
    Overlook erklärte, dass Reynolds eine Stimme in seinem Kopf gehört hatte und davon überzeugt war, dass es sich um die Stimme seiner Frau handelte, die ihm wieder und wieder vorgeworfen hatte, sich nicht um sie gekümmert zu haben. Daraus schloss O verlook, dass Reynolds schwerwiegende Schuldgefühle plagten, die nun aus dem Unterbewusstsein nach oben drängten. Da seine Frau Kehlkopfkrebs hatte, war anzunehmen, dass sie relativ bald ihre Stimme verlor. Reynolds projizierte diese verlorene Stimme in seine Gedanken, die ihm nun all die Dinge mitteilte, die er glaubte, seine Frau hätte sie während der letzten Monate vor ihrem Tod gedacht.
    Reynolds war als stark suizidgefährdet eingestuft, was eine Unterbringung in der geschlossenen Abteilung erforderte. Abgesehen davon, dass Doktor Overlook keine Erklärung hatte, wie das Petroleum in Reynolds Zimmer gelangen konnte, kam der Suizid des Chirurgen für sie nicht übe rraschend. Sie war schockiert, aber nicht überrascht. Laut ihrem Urteil war Edward Reynolds Tod auf der einen Seite ein immenser Verlust, da seine Operationen viel bewirkt hatten und alle Kollegen zu ihm wie einem Gott aufblickten. Andererseits – und sie legte Wert darauf, dass es ihre persönliche Meinung war – schlummerte aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung immense kriminelle Energie in ihm und sie konnte nicht ausschließen, dass diese ihn zum Mörder machen könnte .
    Bob hatte in der Zwischenzeit mit den Eltern der entführten Mädchen gesprochen. »Frag sie einfach«, hatte Hiller ihn aufgefordert. Nur widerwillig stimmte Bob zu und betonte immer wieder, dass er von dieser Geschichte vom auferstandenen Neurochirurgen nichts halten würde. »Frag einfach mal, ob sie einen Doktor Edward Reynolds kennen. Er hat ja bereits einem gelähmten Mädchen geholfen. Wäre nicht auszuschließen, dass sie Kontakt zu ihm gehabt hatten.«
    Und sie hatten Kontakt. Alle bis auf die Mutter von Patricia White. Sie hatten sich von ihm über eine mögliche Operation aufklären lassen und die Mädchen für eine Untersuchung mitgenommen. Reynolds bestätigte ihnen, dass eine Operation möglich wäre und eine reelle Chance bestand, dass die Mädchen danach wieder laufen könnten. Letztlich hatten sie aber abgelehnt, da das Risiko zu hoch war. »Vom Hals abwärts gelähmt«, hatte Bob gesagt. »Stell dir das einmal vor. Unglaublich. Ich hätte

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