Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

kleinen Zwischenfall zusammen.«
    »Zwischenfall?«
    »Ein kleiner Scherz, den wir mit Walt an seinem ersten Tag getrieben haben. Haben seine Stiefel mit Milch angefüllt und dann einen Probealarm losgelassen. Wir fanden es witzig. Er nicht. Er hat Rache geschworen. Na ja, und seit diesem Tag, hast du deine Stiefel nicht mehr unbeaufsichtigt gelassen.« Dave grinste. Dann nickte er zu einem Treppenaufgang. »Lass uns jetzt die Jungs begrüßen.«
    Die Jungs schienen sich zu freuen, mich wieder in ihrer Mitte zu haben und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl , dazu zu gehören. Doch die Tatsache, dass ich keinen dieser Männer kannte und den Gesichtern keinerlei Namen oder Erinnerungen zuordnen konnte, ließ mich von einem Augenblick zum anderen unsicher werden. Wahrscheinlich hätte ich die freundschaftliche Begrüßung entsprechend erwidert, a ber ich spürte eine Barriere. Als wäre ich ein Fremder, der soeben die Helden der Nation kennenlernen durfte. Daher lächelte ich nur und begrüßte sie mit: »Hey Jungs. Alles klar?«
    »Klar?«, fragte einer der Jungs . »Gar nichts ist klar. Verdammt! Gut, dass du wieder da bist. Der kleine Dave ist doch aufgeschmissen ohne dich. Die Insel kann von Glück reden, dass noch kein Haus in Flammen aufgegangen ist. Gibt hier ja außer dir keinen, der den Kleinen aus der Scheiße ziehen würde.«
    »Ich werde dir gleich einen Kleinen aufs Maul geben, Bob«, lachte Dave und legte seine Hand auf meine Schulter. »Ich werde bald wieder da sein«, sagte ich zu Bob. »Dann kann ich wieder auf den Kleinen aufpassen.«
    »He!«, rief Dave aus. »Jetzt reicht‘s aber!«
    Die Jungs lachten. Ich auch.
    Bob blickte an mir vorbei. »Sieh mal einer an, wer sich da aus seinem klimatisierten Büro wagt. Wenn dass nicht der Liebe Gott persönlich ist.« Er nickte mir zu.
    In der Tür stand ein Mann. Älter als die anderen, geschätzte 45 Jahre alt. Ein dunkler Schnauzbart zuckte nervös über den Lippen. Die Haare hatte er ordentlich zurückgekämmt. Auch er trug dieses dunkelgraue FDNY-T-Shirt, aber anstatt der Shorts dunkle Jeans.
    Der Mann lächelte. »Und der Liebe Gott würde gerne mit Firefighter Reynolds sprechen . «
    »Alles klar, Captain«, sagte Dave und bestätigte meine Vermutung, dass dieser Mann die Leitung der Feuerwache über hatte. »Ich werde dir Jack kurz leihen .« Dann wandte er sich zu mir. »Sag aber nichts ohne deinen Anwalt, klar?«
    Wieder lachten die Jungs.
    »Ich bringe ihn gleich wieder«, sagte der Captain und drehte sich zur Seite. »Dann könnt ihr in Ruhe euer Wiedersehen feiern.«
    Im Vergleich zum Mannschaftsquartier war das Büro des Captains gut gekühlt . Capt. Joe Felini stand auf einem Schild am Schreibtisch. Daneben hatte er das Modell eines historischen Leiterwagens aufgestellt. Auf dem Wagen war ein Schlauch aufgewickelt. Eine Kurbel auf der mir zugewandten Seite lud dazu ein, daran zu drehen. Gegenüberliegend war ein Hebel montiert, beiderseits mit Griffen versehen.
    »Eine unserer ersten Engines«, sagte der Captain und schob den Wagen ein Stück in meine Richtung. »Eine Pumpe und ein Schlauch. Wurde von 2 PS an den Brandort gebracht und dort mit zwei Mann bedient.« Er lehnte sich in den Stuhl zurück. »Wie geht es dir, Jack?«
    Auch wenn die Frage üblicherweise einer Höflichkeitsfloskel entsprach, spürte ich, dass der Captain tatsächlich wissen wollte, wie es um mich stand.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich.
    Der Captain nickte. »Ich weiß.«
    Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich meine Situation mit diesem einen Satz auf den Punkt gebracht hatte.
    »Ich habe mich schlau gemacht«, sagte er und tippte auf ein Blatt Papier, das mit Notizen versehen war. »Amnesie«, sagte er. »Dumme Sache. Kann auch mit einer Stresssituation zusammenhängen. Genaues weiß man da nicht. Aber eines ist unumstritten: Genau so schnell, wie so etwas kommt, kann es auch wieder verschwinden.«
    »Das hoffe ich. Jede Sekunde hoffe ich das. Dass es endlich Klick macht und ich meine Erinnerung wiederhabe . Es ist einfach … ein beschissenes Gefühl!«
    Der Captain nickte. »Kann ich mir vorstellen. Ist ja oft so, dass meine Frau meint … « Er nickte hinter sich an die Wand, an der das Bild einer dunkelhaarigen Frau in den Mittvierzigern hing, » … ich hätte dieses oder jenes gesagt und ich bin davon überzeugt, dass ich das niemals … « Er grinste und schüttelte den Kopf. »So ungefähr muss das sein. Nur , wenn man sein ganzes Leben