Das Tahn-Kommando
verbracht hatte, gab er Anweisung, ihr Porträt zu entfernen, falls nötig mit Sandstrahlgeräten. Plötzlich fing sie jedoch an, ihn zu verfolgen, und er hatte seinen Befehl widerrufen – er wusste auch nicht so genau, warum. Und dann dämmerte es ihm: Der Mann musste diese Frau wirklich geliebt haben, so reizlos sie auch aussehen mochte.
Die Berichte legten davon Zeugnis ab: Der Captain war ein ebenso tüchtiger, ergebener und professioneller Mensch wie seine Vorgänger gewesen. Obwohl er älter als Sten war, lag noch eine lange und viel versprechende Karriere vor ihm. Statt dessen hatte er jedoch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um auf einen Pionierplaneten versetzt zu werden, wo es eine wenig aussichtsreiche Stelle zu besetzen gab. Kurz vor seiner Abreise hätte er die Frau auf dem Bild geheiratet. Der Imperator hatte sogar den Brautvater gespielt. Sten spürte, was da geschehen war. In den wenigen Monaten, die er diesen Posten bekleidete, war Sten klar geworden, dass gerade diese Stelle für einen Junggesellen gedacht war – oder zumindest für jemanden, der sich nicht viel aus Ehefrau und Familienleben machte. Die Zeit reichte fast nicht aus, um den Job ordentlich zu erledigen. Der gute Captain war dieser Situation so überdrüssig geworden, dass er alles für die fade Lady auf den Bildern aufgegeben hatte.
Sten hielt ihn für einen sehr weisen Mann.
Wenn man sich an den Wandgemälden vorbeigeschoben hatte, entpuppte sich Stens Zimmer als das typische Dilemma eines ledigen Offiziers: ein Dschungel aus allen möglichen persönlichen und dienstlichen Gegenständen. Sten hatte nicht etwa den Überblick verloren; er war ein ordentlicher Mensch, der alles auf den dafür vorgesehenen Stapel packte. Das Problem lag eher darin, dass diese Stapel dazu neigten, immer wieder ineinanderzurutschen, darin seinen gegenwärtigen Interessen nicht unähnlich. Seine professionellen Nachforschungen vermischten sich mit einem nagenden Hunger nach Geschichte – der Geschichte von allem und jedem. Dazu kamen noch die unvermeidlichen technischen Abhandlungen, über die sich ein Militär des vierzigsten Jahrhunderts zu informieren hatte und die wiederum mit Stens noch von seiner Herkunft von Vulcan herrührenden Neugier für alles Technische einhergingen. Überhaupt hatte er sich nach seiner Abreise von Vulcan zu einem eifrigen Leser entwickelt.
Zwei Dinge in seinem Zimmer illustrierten den Zusammenprall persönlicher und beruflicher Interessen ganz besonders: Eine ganze Ecke wurde von einer mehrstöckigen Karte des Palastes und seiner Umgebung in Anspruch genommen. Jeder aufklappbare Bereich war mindestens zwei Meter hoch und gewährte einen zweidimensionalen Blick auf jeden Flur, Salon und Schlupfwinkel des ganzen Gebäudes. Sten hatte diese Klappkarte vier Wochen nach seiner Ankunft in einem staubigen Archiv des Palastes ausfindig gemacht, nachdem er akzeptiert hatte, dass dieses Anwesen einfach zu groß war, um alles zu Fuß zu erkunden. Und ohne persönliche, detaillierte Kenntnis von jedem einzelnen Imperialen Quadratzentimeter dieses Areals war es ihm unmöglich, seine eigentliche Aufgabe auszuführen – nämlich für die Sicherheit des Imperators zu sorgen.
Einige Meter von der Karte entfernt war der zweite wesentliche Teil von Stens gegenwärtigem Leben aufgestapelt. Auf einem zusammenklappbaren Feldtisch stand ein sehr teurer Miniholoprozessor, die größte Anschaffung, die sich Sten bisher geleistet hatte.
Dabei waren die abertausend Stunden noch nicht einmal mitgezählt, die er schon in die winzige Schachtel direkt daneben investiert hatte.
Die kleine Schachtel enthielt Stens Hobby – Modellbau. Dabei handelte es sich nicht um gewöhnliche zusammengebastelte und -geklebte Modelle, die in vorgefertigte Metallplastik-Dioramen gesetzt wurden, sondern vollständig funktionierende und »lebendige« holographische Displays, angefangen bei einfachen altertümlichen Maschinen bis hin zu winzigen Fabriken, die von ihren winzigen Arbeitern betrieben wurden. Jedes Detail war auf einer kleinen Filecard abgespeichert.
Zur Zeit bastelte Sten gerade an dem Nachbau eines altertümlichen Sägewerks. Byte für Byte hatte er festgehalten, was das Werk theoretisch am Laufen hielt, inklusive der Arbeiter, ihrer Funktionen und der Ersatzteile. Programmiert waren auch andere zusätzliche Details, wie zum Beispiel der Abrieb des Riemens, das Verhalten des betrunkenen Maschinenführers, und so weiter. Sobald man die Karte in den
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