Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
auch einer), aber seltsamerweise ist es ausgerechnet Robert, der den Mund wenigstens zu einem Grinsen verzieht.
»Wisst ihr«, witzele ich weiter, »mein ganzes Leben hatte ich das komische Gefühl, dass etwas Gewaltiges und Böses in der Welt vorgeht.«
»Das ist nicht lustig.« Julia ist dabei, ihre nasse Jacke auszuziehen und versucht, nicht mit dem Staub in Kontakt zu kommen, der daran klebt. »Nach dem, was Benjamin von Milton erzählt hat, schmeiße ich meine Kleider besser in den Müll.«
»Das war nur ein Traum, eine Art Post-Trip«, versucht Chris, sie zu beruhigen. Er will es immer noch nicht glauben, dass ich auserwählt bin, durch irgendein Wurmloch im Universum zu kriechen, um den Schleier der Vergangenheit zu lüften.
»Und der Sandsturm?« Rose kommt aus der Küche, eine ganze Batterie Tassen in den Händen. Das Lampenlicht wirft tiefe Schatten in ihr Gesicht. Ihre blonden Haare schimmern rötlich im künstlichen Licht. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Das war genauso wie auf den Fernsehbildern aus diesem Dorf in Guatemala. Ich dachte, ich ersticke. Und ich spüre das Zeug noch überall. Wir müssen alle unter die Dusche.«
»Genau das werde ich jetzt auch tun.« Sobald Katie die Jacke ausgezogen hat, knüllt sie sie zusammen, steckt sie in den gelben Müllsack, in dem bereits Julias Anorak gelandet ist, und verschwindet in ihrem Zimmer.
David gießt eine Tasse Tee ein und reicht sie mir. »Was hat Milton damit gemeint, dass der Kreis nicht vollständig war?«
Ich hasse Tee.
»Erklärungen und Analysen«, erwidere ich, »stehen nicht in meiner Stellenbeschreibung. Ich bin nur Mittel zum Zweck. Euer Medium. Das Einzige, was ich verstanden habe, war, dass deshalb das Experiment gescheitert ist.«
»Bishops Experiment?«, fragt David. Chris’ Vater war es damals gewesen, der die Studenten ursprünglich auf den Ghost geschickt hat. Eine Untersuchung über Gruppendynamik. Jeder sollte jeden beobachten. Einen Sommer lang.
»Es war nicht die Schuld meines Vaters. Davon bin ich überzeugt.« Ich kann an Chris’ Gesicht erkennen, wie sehr er sich beherrschen muss. Obwohl wir so unterschiedlich sind, hat Chris etwas an sich, das ich bewundere. Er ist immer zu hundert Prozent Chris und nicht einmal Julia ist es gelungen, ihn zu zähmen. Manche Leute können damit nicht so gut umgehen.
»Das sagt auch keiner«, versucht David, ihn zu besänftigen.
»Vergesst das Experiment. Es geht nicht darum.« Robert hat seinen Pullover ausgezogen und steht nur im T-Shirt da, das ihm viel zu groß ist. Ehrlich gesagt erschrecke ich bei diesem Anblick. Wenn unsere Krankenschwester, der Vampir, der Meinung ist, ich sei dünn, dann hat sie offensichtlich Robert vergessen. Er sieht irgendwie ausgezehrt aus, als ob etwas an ihm nagt. Nicht nur mir fällt das auf, denn Julia schlägt sich die Hand vor den Mund und flüstert: »Robert, was …«
Aber sie kommt nicht dazu weiterzureden, denn in diesem Augenblick stürmt Katie durch die Tür und ihre Miene scheint wie … erstarrt. In ihren Augen spiegelt sich tiefe Verwirrung. Rose ist sofort an ihrer Seite.
»Was ist, Katie?«
»Hier …« Sie reicht Rose ein Blatt Papier. »Das lag auf meinem Bett. Jemand … war in meinem Zimmer, während wir weg waren.«
Roses Stimme zittert, als sie zu lesen beginnt.
Liebe Katie,
wenn dich dieser Brief erreicht, werde ich nicht mehr leben. Dieser Brief bedeutet: Ich habe versagt.
Ich verstehe nun, was das Wort Besessenheit wirklich ausdrückt. Besessenheit kann dich um den Verstand bringen. Sie kann töten.
Du aber, Katie, du bist stark. Wie deine Freunde. Ihr habt widerstanden, mehr als einmal. Es hat euch bis jetzt nicht auseinandergebracht und es wird euch auch in Zukunft nicht trennen. Das ist eure Stärke! Vertraut darauf! Ihr könnt es zusammen überwinden. Und dann wird es euch gehen lassen.
Katie, ich habe in so vielen Punkten gelogen und es tut mir aufrichtig leid. Dave Yellad war nie mein Urgroßvater, genausowenig wie ich im Gefängnis wegen Mordes gesessen habe. Aber in einem Punkt, in einem Punkt habe ich immer die Wahrheit gesagt. Ich mochte dich wirklich. Mehr als gut für mich war.
In Liebe, Tim Yellad
PS: In diesem Umschlag findest du das Reisetagebuch von Dave Yellad, dem Duke of Dunbar. Gib es Robert. Vielleicht kann er mehr damit anfangen als ich.
Rose hebt den Kopf und in ihren Augen stehen Tränen.
Die nachfolgende Stille ist unheimlich, geradezu unerträglich gespenstisch. Und es macht die
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