Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Titel: Das Tal Bd. 7 - Die Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
Berg überragt, den ich blind zeichnen könnte. Dem Ghost.
    Wer das hier gemalt hat, war Zeuge. Zeuge eines Exodus, bei dem Menschen und Tiere dieses Tal verlassen haben.
    Plötzlich überkommt mich Panik, wenn ich an die Warnung denke, die Tim uns in seinem Brief mit auf den Weg gegeben hat. Wir sollen zusammenbleiben. Dürfen uns nicht trennen. Aber ich – ich bin hier ganz allein!
    Ich fahre herum und beginne zu rennen. Will zurück ins Freie. Zurück in die Gegenwart. Aber wie das so ist in Träumen, ich komme keinen Schritt vorwärts. Und nicht nur das. Ich höre plötzlich Stimmen. So deutlich, als ob sie direkt neben mir stünden.
    »He, Leute, kommt mal her. Das müsst ihr euch ansehen.«
    »Das ist der Wahnsinn!«
    »Das müssen Indianer gemalt haben.«
    Ich bin nicht alleine hier unten. Das ist ein gutes Gefühl. Weshalb ich mich in die Richtung bewege, aus der die Stimmen kommen, die immer deutlicher werden.
    »Das sind Indianersymbole …«
    Ich kann den Rest nicht verstehen und mache einige Schritte vorwärts.
    »… Gib mir doch mal die Taschenlampe.«
    Stille. Etwas klappert.
    »He, die muss ich unbedingt mitnehmen.«
    Ein Aufschrei ertönt.
    »Shit, jetzt habe ich mich geschnitten.«
    Wieder werden die Stimmen verschluckt.
    Und dann höre ich nur noch einen Namen.
    Kathleen.
    Umdrehen, weglaufen, signalisiere ich meinem Gehirn. Aber das hat wie immer seinen eigenen Plan. Meine Schritte beschleunigen sich, ohne dass ich darauf Einfluss nehmen kann. Ich komme mir vor wie ferngesteuert und willenlos. Na ja, ich bin ja auch offensichtlich Teil eines großen Masterplans.
    Es ist nur so, als sich der enge Stollen weitet und ich in diesen Höhlenraum gelange, steht rechts von mir ein einzelnes Mädchen auf Zehenspitzen und kritzelt irgendetwas an die Wand.
    Sie trägt die helle, ziemlich ausgewaschene und fransige Jeans mit dem roten Peacezeichen, die sie auch bei meinem Besuch in der Berghütte anhatte. Unter dem roten Anorak erkenne ich ein Sweatshirt mit der Aufschrift Solomon-College. Die wild gelockten hellbraunen Haare stecken unter einem rot-weiß karierten Regenhut.
    »Kathleen!«
    »Ich komme schon.« Sie vollführt den letzten Schwung, bückt sich, bindet den Schuh und dann rennt sie los.
    Ich starre ihr nach, wie sie in der Dunkelheit des Stollens verschwindet.
    Und dann, als ich mich wieder zur Wand drehe, steht immer noch jemand da. Wie kann das sein? Ich bin sicher, das Mädchen war allein.
    Ich gehe einige Schritte näher und zucke zurück.
    Ihre Haare sind nach wie vor hellbraun und wild gelockt, aber ansonsten erinnert nicht mehr viel an das Mädchen, das eben weggerannt ist. Die Gesichtszüge sind dieselben, dennoch scheinen Jahrhunderte dazwischen zu liegen. Tiefe Falten haben sich in ihr Gesicht gegraben. Ihre Mundwinkel ziehen sich nach unten. Es scheint, als hätte sie seit damals nie wieder gelacht.
    Ich weiß, wer sie ist.
    Vor mir steht meine Mutter.
    »Du bist Benjamin, stimmt’s?«, sagt sie und schaut mich ruhig an. »Ich hatte mir einen anderen Namen ausgesucht. Oliver. Kennst du Love Story? Nein, wahrscheinlich nicht. Aber ich habe diesen Film damals geliebt.«
    Ich habe keine Ahnung, was ich darauf antworten soll. Love Story? Gute Dialoge und so weiter, aber ich begegne meiner Gen-Mom in der Vergangenheit und sie will mit mir über Filme plaudern?
    »Ich weiß, wie verwirrend das für dich sein muss«, fährt sie fort. »Für mich ist das auch nicht einfach. Es gibt keine Entschuldigung für das, was ich getan habe, aber glaube mir, bei mir wärst du nicht glücklich gewesen. Das dachte ich damals, als ich mit dir schwanger war. Ich hatte keinen festen Wohnsitz. Ich weiß nicht einmal, wer von den Männern, mit denen ich damals geschlafen habe, dein Vater ist. Und ehrlich gesagt, keiner von denen wäre es wert, nach ihm zu suchen.« Sie lacht auf, aber es ist nur ein Ton, das Lachen kommt nicht von innen. Das macht mich noch wirrer im Kopf, als ich es schon bin.
    »Ich könnte jetzt noch eine Reihe von Gründen aufzählen, warum ich dich nicht behalten konnte. Kein Geld, keine feste Bleibe und ich lebe verdammt ungesund … immer noch.« Sie holt ein Päckchen Zigaretten heraus. »Aber die eigentliche Wahrheit ist: Sie hätten dich mir sowieso weggenommen.«
    Das Feuerzeug flammt auf und ich kann in ihre Augen sehen. Es ist ein Gefühl, als ob ich in einen Spiegel blicke, wenn auch einen Zerrspiegel. Davon wird mir ziemlich übel. Genau das wollte ich vermeiden.
    Sie fährt

Weitere Kostenlose Bücher