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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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hinunter, und er kämpfte immer wieder darum, nach Luft zu schnappen. Er konnte das pulsierende Dröhnen der Pumpe hören und das schleifende Geräusch der rotierenden Schraube. Dann, von dem Sturzbach überschüttet, spürte er eine Dumpfheit in seinem Kopf und sank erneut. Er kam allmählich wieder hoch und trieb mehr als halb ertrunken im Wasser. Langsam bewegte er sich im Kreis; die wirbelnde Strömung hatte ihn ergriffen. Der Strudel lockte.
    Vor ihm kreiste ein erschlaffter Wieselkörper mit einer höheren Geschwindigkeit, näherte sich dem gierigen Schlund, rotierte einen Moment lang ungestüm und verschwand plötzlich. Kine spuckte Schaum aus. Er mußte der wirbelnden Gewalt entkommen, doch seine Beine waren so schwer wie Blei, und kraftlos paddelnd trieb er allmählich auf das Innere des Kessels zu. Mit äußerster Anstrengung versuchte er, seine Vorderbeine nach seinem Willen zu bewegen. Schaum zog an ihm vorüber. Er hatte seinen eigenen Schaum im Maul. Aber das war alles – und er wurde, als seine letzten, verzweifelten Kraftreserven nichts bewirkten, von dem stärker werdenden Sog weiterhin mitgerissen.
    Es gab kein Entrinnen. Es war, dachte Kine, das Ende aller Dinge durch einen einzigen ungestümen Schlag des Schicksals. Kine erinnerte sich an das damalige Treffen am Galgen in der mit Heugeruch erfüllten Düsternis, an den Sternenhimmel, der Zeuge ihres Schwurs gewesen war: »Tod den Wieselmördern!« Er dachte an Einauge, als der Nieselregen in die Pfützen getröpfelt war. »Du mußt den Kampf gegen die Nerze vorbereiten.«
    Kine erinnerte sich an sie: an den tapferen, zitternden Scrat am Tor zur Marsch, als die Mauersegler gejagt hatten und das Getreide goldgelb gewesen war. »Ich kann dich verstehen … Kia ist gut zu mir gewesen. Kine … Das ist nun einmal so, wenn man spioniert.«
    Und der Kleine: »Bitte, Kine« – wie jung er am Mondsee ausgesehen hatte –, »laß mich mit dir mitgehen. Laß mich dabeisein – damit ich, wenn ich überlebe, davon erzählen kann. Ich fürchte mich nicht vor den Gefahren. Und ich glaube, ich fürchte mich auch nicht vor dem Tod, falls es so weit kommen sollte.«
    Sie hatten das verwegene Unternehmen geplant, die Risiken in Kauf genommen. Ford hatte sich nicht unterkriegen lassen. Kine dachte an den Sumpfpfad, als das Wasser angestiegen war. »Naß.« Fords phlegmatischer Kommentar war typisch für ihn gewesen. »Du befindest dich in einem Sumpf und nicht in einem Rosengarten. Wenn du einmal naß bist, bist du naß.«
    Und die Toten waren tot. Sie waren erstickt, bei lebendigem Leibe verbrannt oder zertrampelt worden; Leichen, die neben den Knochen der Schafe zurückgelassen worden waren und jetzt den Pfad markierten. Sie hatten nicht geklagt. Ihre Überzeugung hatte die Wiesel in die Nähe ihres gesteckten Ziels gebracht. Doch ihr Unternehmen war nun vom Schicksal vereitelt worden. Die Monster lebten, und das Tal würde unter Grus Herrschaft erzittern.
    Er kreiste schneller, taumelte, geriet näher an das Loch des wirbelnden Strudels heran. Es wurde dunkler. Der Sog riß ihn gierig zum Zentrum. Kines Kopf dröhnte. Die Strömung zog ihn unermüdlich mit, zerrte ihn weiter nach unten. Schaum und Zweige wurden vor ihm verschluckt. Am Ende, dachte Kine, würde das Loch alles verschlingen.
20. Kapitel
    Zwei fluoreszierende Streifen verbreiteten das einzige Licht. Im Innern des kleinen, rechteckigen Gebäudes – eisengraue Wände erhoben sich über einen staubfreien Fußboden – lief der Elektromotor nicht mehr. Es handelte sich nicht um die größte Pumpstation in der Marsch – einige waren mit zwei Schrauben ausgestattet, die eine noch höhere Umdrehungszahl besaßen –, aber diese förderte schon 130.000 Liter Wasser in der Minute, über 2.000 Liter pro Sekunde, in den Fluß, wenn die Förderschnecke rotierte.
    Der Techniker schloß die Tür und stand mit einem sonderbar blassen Gesicht in dem künstlichen Licht. Metallene Gehäuse verdeckten die Wände, an einigen Stellen sah man die Skalen von Meßinstrumenten. Er bewunderte die tadellose Ordnung der Apparaturen, die ebenso modern waren wie die Geräte in seiner eigenen Wohnung. Er war stolz auf diese Anlage, auf ihre Leistungsfähigkeit. Der kleine Maschinenraum war blitzsauber. Nur die Spuren, die seine Stiefel hinterlassen hatten, beschmutzten diese Umgebung.
    Er arbeitete ohne Hast. Er las die Instrumente ab, trug die Daten in sein Berichtsblatt ein, kontrollierte die Sicherungen und überprüfte die

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