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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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eine Altersgenossin von bezaubernder Schönheit. Er wählte das Wort des Alten. – »Ein Stern«, flüsterte er.
    Ford starrte sie erstaunt an. Es war sehr lange her, daß das Sumpfwiesel so etwas gesehen hatte, und er verfolgte jeden Schritt, blickte mit stieren Augen und offenem Maul auf das quirlige Weibchen. Wunder lief an Kletten und Fuchsschwanzgräsern vorbei. Sie glich einer Geistererscheinung, ließ Ford einen Stich in seinem Herzen fühlen, glich einer unvergeßlichen Erinnerung, die den Sommer in sein Gedächtnis zurückrief. Sie ist die Reinkarnation einer Heldin, sagte er zu sich.
    Müde und zerschlagen schoben sich die staunenden Überlebenden vorwärts. Wunder blieb stehen. Sie hatte sie nicht gesehen, spürte aber ihre Gegenwart und blieb ruhig, gelassen und achtsam. Ihre Augen suchten das Gras ab. Ihren Kopf hatte sie in die Höhe gereckt, die Vorderbeine gestreckt, und ihr Gewicht war auf die Hinterbeine verlagert worden, um eine schnelle Flucht zu ermöglichen. Jede Faser deutete auf ihre jagenden Vorfahren, auf ihre ausgeprägten Wieseleigenschaften hin. Sie war ein Ebenbild Kias, und Kine, vor Staunen schwach, starrte sie ehrfürchtig an. So oft hatte er sie auf dieser grünen Anhöhe gesehen, hatte mit ihr gespielt und war mit ihr auf die Jagd gegangen, hatte sie und die anderen Nachkömmlinge beobachtet, wie sie herangereift waren. Die Ähnlichkeit war beeindruckend. Es war nicht zu glauben.
    Nur ein einziges Wesen hatte Kias Eigenschaften geerbt. Es schmerzte ihn noch immer, wenn er an die Kleinste von den Nachkömmlingen dachte, an die winzige Koboldin, die Kias ausgelassene Schalkheit besessen hatte. Sie wäre jetzt so groß wie … aber das war unmöglich. Niemand hatte überlebt.
    Er beobachtete, wie die kleine Wieselin vorsichtig schnupperte. »Einauge?« Ihr Ruf klang besorgt. »Bist du da, Einauge? Was ist los?«
    »Ich bin hier.« Der Alte stupste Kine in ihre Richtung. »Hier ist jemand, der dich begrüßen will. Er kommt jetzt.«
    Kine lief langsam voran, hielt sich dicht am Boden, wie man es bei der Begegnung mit Fremden tat, schnupperte neugierig. Er blieb stehen und starrte sie erneut an. Sie war etwas zurückgewichen, zeigte sich mißtrauisch und fletschte ihre Zähne. Aber sie fürchtete sich nicht. Er dachte sich, daß er wahrscheinlich einen erschreckenden Anblick bot, ausgemergelt von der qualvollen Wanderung und vom Schaum beschmutzt, doch sie blieb standhaft auf ihrem Fleck stehen, genauso wie Kia, was seinen Puls sprunghaft ansteigen ließ. Und sie knurrte auch genauso wie Kia. Dies brachte ihn dazu, es zu glauben – das Mirakel anzunehmen.
    Er ging einen weiteren Schritt heran.
    »Kine?« Sie war sich nicht sicher. Und dann: »Er ist es!« Das Knurren verschwand, und Wunder rief: »Er ist es! Er ist es! Du bist zurückgekommen, Kine – bist zu mir zurückgekommen!«
    Er sog ihren moschusartigen Geruch ein, das Kennzeichen ihrer Familie. Im nächsten Augenblick war sie vorwärtsgesprungen, und nun war es Kine, der ein Knurren hören ließ, der ihrem Mangel an Zurückhaltung eine schroffe Abfuhr erteilte, denn es war nicht die Art der wilden Tiere, Vertrautheit zu akzeptieren, bevor nicht die Regeln zur Statusbeachtung befolgt wurden. Sie hatte sich nicht daran gehalten. »O Kine«, schnurrte sie. »Weißt du noch, wie ich an deinem Schwanz gezogen habe? Und in deine Ohren habe ich dir gebissen! Du bist wieder da – ich habe dich wiedergefunden, Kine. Komm, laß uns umhertollen!« Kine wich ihr aus, seine Augen begannen zu glänzen. Sie hüpften voneinander weg. Einen Moment lang starrten sich die beiden Tiere regungslos an. Dann fielen sie übereinander her, purzelten und rollten über den Boden, während die anderen mit schnuppernden Nasen vorsichtig herankamen.
21. Kapitel
    »Es ist herrlich hier«, sagte Wunder zu ihm.
    Sie hüpfte näher an ihn heran. In der warmen Luft liefen sie nebeneinander her; Kines Kummer war durch die Freude, die sie in ihm verbreitete, erst einmal vergessen. Das Gras stand hoch und gedieh üppig in den letzten Sommertagen; der Pfad glänzte, wo die Sonne auf Schiefer und Feuersteine schien. Libellen wärmten sich auf den Steinen, flogen auf, als sich die beiden Wiesel näherten, und schwirrten davon, um sich erneut irgendwo mit ihren farbenprächtigen, langgestreckten Körpern niederzulassen. Die Luft war mit dem unverkennbaren, durchdringenden Geruch erfüllt, den die Gänseblümchen zu bestimmten Zeiten ausströmen

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