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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.R. Lloyd
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müßt die erste Strecke schwimmen. Hinter den Schwänen befindet sich ein höher gelegener Streifen, der Ausläufer eines Gerstenfeldes, der ins Wasser hineinragt.« Die Saatkrähe schwieg, und die Wiesel warteten. »Dort könnt ihr durchwaten«, sagte der Vogel. »Schwimmt bis zu diesem Streifen – den Rest des Weges könnt ihr waten. Aber die erste Etappe ist recht lang. Wenn ihr dazu bereit seid, werde ich euch führen – dann fliege ich voran.«
    Kine blickte zu den Schwänen. Es war eine lange Strecke, das stimmte, eine Strecke, die das stärkste Wiesel auf eine harte Probe stellen würde, und sie befanden sich in schlechter Verfassung. Die Aussichten beunruhigten ihn. Aber ebenso, grübelte er, fürchtete er sich vor dem Verhungern.
    »Sind wir bereit?« fragte er bestimmt.
    Die Reaktion war überwältigend.
    Sie glitten mit der Kraft der wiederauflebenden Hoffnung ins Wasser, Kine an ihrer Spitze. Dicht hinter ihm schwamm Ford. Über ihnen flatterte der Wächter. Er senkte sich hinunter, so daß sie den Luftzug seiner Flügel spüren konnten, flog dann voran und schwebte, dem Turmfalken nacheifernd, lautlos über das Wasser. Er war ein schlauer, alter Vogel, etwas jähzornig vielleicht, doch Kine traute ihm. Kia hatte ihn gemocht, und auch Einauge hielt viel von ihm. Er hatte eine scharfe Zunge, aber ein gutes Herz, und nun spornte er sie in seiner bärbeißigen Art an.
    Es war ein sonderbarer Anblick. Die langgezogene Reihe der schwimmenden Säugetiere, die von einer bejahrten Saatkrähe geführt wurden, überraschte die Vögel auf dem Wasser, und sie änderten argwöhnisch ihre Richtung. Ein Teichhuhn erschrak sich und alarmierte, planschend und flatternd, einige Krickenten, die pfeilgleich davonschossen; ihre schwarzen und grünen Federn glitzerten im Sonnenlicht. Verbissen schwamm Kine voran. Eine schwache Brise wehte: Sie trieb eine leichte Dünung in sein Gesicht, und jedesmal, wenn er sich in einem Wellental befand, schien die Saatkrähe in der vor ihm liegenden Woge zu ertrinken.
    Die Strecke kam ihnen endlos vor. Die Muskeln schmerzten, die Kraft versiegte allmählich, so daß jede Bewegung anstrengender war als die vorhergehende. »Wie weit noch?« Kines Frage versank unbeantwortet. Die Saatkrähe war nun zu weit von ihm entfernt, und er arbeitete sich mit wachsenden Zweifeln mühselig weiter. Der Weg schien kein Ende zu nehmen. Eine Unmenge von Blättern trieb vorbei, und Kine fluchte, als ihn die glitschigen Pflanzenteile bedrängten. Noch nie war er so weit geschwommen. Er quälte sich voran. »Wie weit noch?« jammerte eine innere Stimme. »Wie lange noch?«
    Für einen kurzen Moment sah er Ford, und er dachte sich, daß das Sumpfwiesel die gleichen Gedanken hatte. Ein Zurück gab es nicht mehr, die Korbweiden lagen weit hinter ihnen. Dieser höher gelegene Streifen war ihre einzige Hoffnung. Alles hing nun von Wächter ab. »Wenn er sich verschätzt hat, ist das unser Ende«, dachte Kine düster. In den Fluten würden sie sehr schnell sterben. Sie würden ein paar Blasen aufsteigen lassen, eine letzte, heftige Zuckung machen, und nach dem Verschwinden des Sees würden dann irgendwo vielleicht noch ein oder zwei leblose, aufgeschwemmte Körper liegen.
    Ford schnaufte, wollte seine Aufmerksamkeit erregen. »Wir nähern uns den Schwänen. Nur zu, Kine.«
    »Sollen wir um sie herumschwimmen? Es könnte sonst sein, daß sie uns angreifen – uns alle ertränken.«
    »Geradeaus weiter, mein Freund. Zu spät, um vorsichtig zu sein. Wir werden es nie schaffen, wenn wir nicht den kürzesten Weg nehmen.«
    Erhatte recht. Diesmal, dachte Kine ironisch, hatte der unvorsichtige Ford nur zu recht. Sie mußten es riskieren, die mächtigen Wasservögel aufzustöbern, und hoffen, daß sich die riesigen Tiere in einer ausgeglichenen Stimmung befanden. Die Schwäne sonnten sich schläfrig. Kine sah das hoch aufragende männliche Tier an seiner Seite, sah den großen Schnabel über sich, ein feuriges Orange, das unheilvoll vor dem schneeweißen Gefieder aufleuchtete. Ein Stoß, und diese Waffe würde ihn in die Tiefe befördern. Mühsam paddelte er weiter, seine Glieder waren durch den Hunger und den endlosen Weg entkräftet.
    Der Schwan stieß ein verärgertes Fauchen aus, und es kam Bewegung in die massigen Tiere. Wißbegierig streckten die großen Vögel ihre langen Hälse, um sich umzublicken. Die kleine Flotte der unruhigen Wiesel ruderte krampfhaft voran. Kines Kopf bewegte sich auf und ab, seine Lunge

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