Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
Vom Netzwerk:
daß das
höchste Ziel der Philosophie das Überschreiten der sozialen
Welt und des täglichen Lebens und das Erreichen einer höheren Bewußtseinsebene sein solle. Dies ist die Ebene des Weisen, das chinesische Ideal des erleuchteten Menschen, der die
mystische Vereinigung mit dem Universum erreicht hat.
    Der chinesische Weise lebt jedoch nicht ausschließlich auf
dieser hohen geistigen Ebene, sondern befaßt sich auch mit
weltlichen Angelegenheiten. Er vereint in sich beide Seiten der
menschlichen Natur — intuitive Weisheit und praktisches Wissen, innere Einkehr und soziale Aktion -, die der Chinese dem
Weisen und dem König zuschreibt. Nach den Worten Chuangtzus werden ganz verwirklichte Menschen »durch ihre Ruhe zu
Weisen, durch ihre Taten zu Königen«. 1 Während des sechsten
Jahrhunderts v. Chr. entwickelten sich die beiden Seiten der
chinesischen Philosophie zu zwei bestimmten philosophischen
Schulen, dem Konfuzianismus und dem Taoismus. Der Konfuzianismus war die Philosophie der sozialen Organisation, des
gesunden Menschenverstandes und des praktischen Wissens.
Er gab der chinesischen Gesellschaft ein Erziehungssystem und
strenge Regeln des Anstands. Ein Hauptziel war die Bildung
einer ethischen Basis für das traditionelle chinesische Familiensystem mit seiner komplexen Struktur und seinen Ritualen der
Ahnenverehrung. Der Taoismus andererseits befaßte sich in
erster Linie mit Naturbeobachtung und der Erforschung ihres
Weges, des Tao. Nach den Taoisten wird der Mensch glücklich,
wenn er der natürlichen Ordnung folgt, spontan handelt und ihrem intuitiven Wissen vertraut. Diese zwei Denkrichtungen repräsentieren entgegengesetzte Pole in der chinesischen Philosophie, aber in China wurden sie immer als Pole ein und derselben menschlichen Natur gesehen, die sich ergänzen. Der Konfuzianismus wurde im allgemeinen bei Erziehung von Kindern
vorgezogen, damit sie die für das Leben in der Gesellschaft
notwendigen Verhaltensregeln lernten, während die älteren
Leute dem Taoismus folgten, um die ursprüngliche, von den gesellschaftlichen Konventionen zerstörte Spontaneität wiederzugewinnen und zu entwickeln. Im elften und zwölften Jahrhundert versuchten die Neukonfuzianer eine Synthese aus
Konfuzianismus, Buddhismus und Taoismus zu schaffen, die in
der Philosophie des Chu Hsi, eines der größten aller chinesischen Denker, gipfelte. Chu Hsi war ein überragender Philosoph, der konfuzianische Gelehrsamkeit mit einem tiefen Verständnis des Buddhismus und Taoismus verband und Elemente
aller drei Überlieferungen in seine philosophische Synthese
einbaute.
    Der Name »Konfuzianismus« kommt von Kung Fu-tzu oder
Konfuzius, einem sehr einflußreichen Lehrer mit zahlreichen
Anhängern, der die Übermittlung des alten Kulturerbes an
seine Schüler als seine Hauptaufgabe betrachtete. Dabei ging
er jedoch über die simple Wissensvermittlung hinaus, denn er
deutete die überlieferten Ideen nach seinen eigenen Moralbegriffen.
Seine Lehren basierten auf den sogenannten Sechs
Klassikern, alten Büchern über philosophische Gedanken, Rituale, Poesie, Musik und Geschichte, welche das geistige und
kulturelle Erbe der »heiligen Weisen« aus Chinas Vergangenheit repräsentierten. Die chinesische Überlieferung hat Konfuzius mit all diesen Werken in Verbindung gebracht, entweder
als Autor, Kommentator oder Herausgeber. Aber nach neuen
Erkenntnissen war er weder Autor noch Kommentator, noch
Herausgeber irgendwelcher Klassiker. Seine eigenen Gedanken wurden durch die Konfuzianischen Analekten Lun Yü bekannt, eine Aphorismensammlung, die von seinen Schülern zusammengetragen worden war.
    Der Begründer des Taoismus war Lao-tzu, dessen Name
wörtlich »Alter Meister« bedeutet und der nach der Überlieferung ein älterer Zeitgenosse des Konfuzius war. Er soll der Autor einer kurzen Aphorismensammlung sein, die als die taoistische Hauptschrift gilt. In China heißt sie generell einfach Laotzu, und im Westen ist sie als Tao Te Ching bekannt, der »Klassiker des Weges und der Kraft«, ein Name, den er später erhielt. Ich erwähnte bereits den paradoxen Stil und die kraftvolle
und poetische Sprache dieses Buches, das Joseph Needham für
»das unbestritten tiefste und schönste Werk in chinesischer
Sprache« 2 hält.
    Das zweitbedeutendste taoistische Buch ist das Chuang-tzu, ein viel umfangreicheres Werk als das Tao Te Ching, dessen
Autor, Chuang-tzu, etwa zweihundert Jahre nach Lao-tzu gelebt haben soll. Nach modernen Erkenntnissen

Weitere Kostenlose Bücher