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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
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unzerstörbar
sind; wo Materie sowohl kontinuierlich als auch diskontinuierlich ist und wo Energie und Materie lediglich verschiedene
Aspekte desselben Phänomens sind. In all diesen Beispielen,
die später noch eingehend besprochen werden, zeigt sich, daß
der Rahmen von gegensätzlichen Begriffen, abgeleitet aus unserer alltäglichen Erfahrung, für die Welt subatomarer Teilchen zu eng ist. Die Relativitätstheorie ist entscheidend für die
Beschreibung dieser Welt, und im relativistischen System werden die klassischen Begriffe überschritten, indem man zu einer
höheren Dimension übergeht, der vierdimensionalen RaumZeit. Raum und Zeit selbst sind zwei anscheinend völlig unterschiedliche Begriffe, aber in der Relativitätsphysik wurden sie
vereint. Diese fundamentale Einheit ist die oben erwähnte Basis der Vereinigung von Gegensätzen. Wie die von den Mystikern erfahrene Vereinigung von Gegensätzen findet sie auf einer höheren Ebene statt, d. h. in einer höheren Dimension, und
wie die Erfahrung der Mystiker ist auch sie dynamisch, weil die
relativistische Raum-Zeit-Realität eine durch und durch dynamische Realität ist, wo Objekte gleichzeitig Vorgänge und
alle Formen dynamische Strukturen sind.
    Um die Vereinigung von scheinbar getrennten Größen zu erfahren, brauchen wir keine Relativitätstheorie. Man kann sie
auch erfahren, indem man von einer zu zwei oder von zwei zu
drei Dimensionen übergeht. Im oben genannten Beispiel einer
Kreisbewegung und deren Projektion sind die entgegengesetzten Pole der Schwingung in einer Dimension (entlang einer Linie) mit der Kreisbewegung in zwei Dimensionen (in einer
Ebene) vereinigt. Die folgende Abbildung stellt ein anderes
Beispiel dar, den Übergang von zwei zu drei Dimensionen. Sie
zeigt einen Wulstring, der horizontal von einer Ebene geschnitten wird. In der zweidimensionalen Ebene erscheinen die
Schnitte als völlig voneinander unabhängige Scheiben, aber in
drei Dimensionen erkennt man sie als Teile ein und desselben
Objekts.
    Eine ähnliche Vereinigung von anscheinend selbständigen und
unvereinbaren Einheiten wird in der Relativitätstheorie durch
den Übergang von drei zu vier Dimensionen erreicht. In der
vierdimensionalen Welt der relativistischen Physik sind Masse
und Energie vereinigt, dort kann Masse als diskontinuierliches
Teilchen oder als kontinuierliches Feld auftreten. In diesen Fällen können wir uns jedoch die Einheit nicht mehr gut vorstellen. Physiker können die vierdimensionale Raum-Zeit durch
den abstrakten mathematischen Formalismus ihrer Theorien
»erfahren«, aber ihr bildliches Vorstellungsvermögen ist wie
das eines jeden anderen auf die dreidimensionale Welt der
Sinne beschränkt. Unsere Sprache und unsere Denkweise haben sich in dieser dreidimensionalen Welt entwickelt, und daher fällt uns der Umgang mit der vierdimensionalen Realität
der relativistischen Physik außerordentlich schwer.
    Andererseits scheinen östliche Mystiker eine höherdimensionale Wirklichkeit direkt und konkret erfahren zu können.
Im Zustand tiefer Meditation können sie die dreidimensionale
Welt des täglichen Lebens überschreiten und eine völlig andere
Wirklichkeit erfahren, wo alle Gegensätze zu einem organischen Ganzen vereint sind. Wenn die Mystiker ihre Erfahrung
in Worte zu kleiden versuchen, stoßen sie auf die gleichen
Schwierigkeiten wie die Physiker bei ihren Versuchen, die vierdimensionale Realität der relativistischen Physik zu interpretieren. Mit den Worten Lama Govindas:
    So wird ein Erlebnis höherer Dimensionalität durch die Integrierung der Erlebnisse verschiedener Bewußtseinszentren erreicht.
Daher die Unbeschreibbarkeit gewisser Meditationserlebnisse auf
der Ebene dreidimensionalen Denkens und einer diesem angepaßten und es einschränkenden Logik. 5
    Die vierdimensionale Welt der Relativitätstheorie ist in der
modernen Physik nicht das einzige Beispiel, wo scheinbar widersprüchliche und unvereinbare Begriffe lediglich als verschiedene Aspekte derselben Wirklichkeit gesehen werden.
Der vielleicht berühmteste Fall einer solchen Vereinigung widersprüchlicher Begriffe ist derjenige der Begriffe »Teilchen«
und »Welle« in der Atomphysik.
    Auf der atomaren Ebene hat die Materie einen zweifachen
Aspekt: Sie erscheint als Teilchen und als Welle. In manchen
Situationen überwiegt der Teilchen-Aspekt, in anderen verhalten sich die Teilchen mehr wie Wellen. Die gleiche Doppelnatur zeigen auch das Licht und alle anderen

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