Das Tao der Physik
elektromagnetischen
Strahlungen. Licht wird zum Beispiel in Form von »Quanten«
oder »Photonen« ausgestrahlt und absorbiert, aber wenn diese
Lichtteilchen sich durch den Raum bewegen, erscheinen sie als
schwingende elektrische und magnetische Felder, die sich genauso wie Wellen verhalten. Elektronen werden normalerweise als Teilchen angesehen, wird jedoch ein Strahl dieser
Teilchen durch einen schmalen Spalt geschickt, so wird er genau wie ein Lichtstrahl gebrochen, mit anderen Worten: Elektronen verhalten sich wie Wellen.
Ein Teilchen Eine Welle
Dieser erstaunliche doppelte Aspekt von Materie und Strahlung ließ viele der » Quanten-Koans« entstehen, die zur Formulierung der Quantentheorie führten. Das Bild einer Welle, die
sich immer über einen Raum erstreckt, ist grundsätzlich anders
als das Teilchenbild mit einem genauen Standort. Die Physiker
brauchten eine lange Zeit, um die Tatsache zu akzeptieren, daß
sich Materie auf zwei Weisen manifestiert, die sich dem Anschein nach gegenseitig ausschließen: daß Teilchen gleichzeitig
Wellen sind und Wellen gleichzeitig Teilchen.
Bei der Betrachtung der beiden Bilder könnte ein Laie meinen, daß der Widerspruch gelöst werden kann, indem man das
rechte Bild als sich wellenförmig bewegendes Teilchen bezeichnet. Dieses Argument beruht jedoch auf einem Mißverständnis über die Natur der Wellen. Wellenförmig sich bewegende Teilchen gibt es in der Natur nicht. Im Wasser z. B. bewegen sich die Wasserteilchen nicht mit den Wellen, sondern
beschreiben
Kreise, wenn die Welle vorbeizieht. Ähnlich
schwingen Luftteilchen in einer Schallwelle lediglich hin und
her, bewegen sich aber nicht mit der Schallwelle fort. Es wird
nur die Störung, die das Wellenphänomen verursachte, die
Welle entlang mittransportiert, aber nicht ein Masseteilchen. In
der Quantentheorie sprechen wir daher nicht von der Teilchenbahn, wenn wir sagen, daß das Teilchen auch eine Welle
ist. Was wir meinen, ist, daß die Wellenstruktur als Ganzes eine
Manifestation des Teilchens ist.
Richtung der Welle
Eine Wasserwelle
Das Bild einer wandernden Welle unterscheidet sich somit so
sehr vom Bild eines wandernden Teilchens wie »Wellen auf
einem See von einem Fischschwarm, der in gleicher Richtung
zieht« (V. Weißkopf). 6
Dem Wellenphänomen begegnet man in der ganzen Physik
in vielen verschiedenen Zusammenhängen, und es kann mit
den gleichen mathematischen Formeln beschrieben werden,
wo immer es auftritt. Die gleichen mathematischen Formeln
werden für die Beschreibung einer Lichtwelle, einer vibrierenden Gitarrensaite, einer Schallwelle oder einer Wasserwelle
benutzt. In der Quantentheorie wiederum werden sie zur Beschreibung der Wellennatur der Teilchen angewendet. Diesmal
sind die Wellen jedoch sehr viel abstrakter. Sie hängen eng mit
der statistischen Natur der Quantentheorie zusammen, d. h.
mit der Tatsache, daß atomare Phänomene nur als Wahrscheinlichkeit beschrieben werden können. Die Information über die
Wahrscheinlichkeiten eines Teilchens ist in der sogenannten
»Wahrscheinlichkeitsfunktion« enthalten, und die mathematische Form dieser Größe ist die einer Welle, d. h. sie gleicht den
Formen, die für die Beschreibung anderer Wellenarten benutzt
werden. Die mit Teilchen zusammenhängenden Wellen sind
jedoch keine »realen« dreidimensionalen Wellen wie die Wasser- oder Schallwellen, sondern »Wahrscheinlichkeitswellen«,
abstrakte mathematische Größen, welche mit den Wahrscheinlichkeiten zusammenhängen, das Teilchen an verschiedenen
Orten und mit verschiedenen Eigenschaften anzutreffen.
Die Einführung von Wahrscheinlichkeitswellen löst in gewissem Sinn das Paradox der Teilchen, die auch Wellen sind, indem sie es in einen ganz neuen Zusammenhang stellt. Gleichzeitig führt dies aber zu einem anderen gegensätzlichen Begriffspaar, das noch viel fundamentaler ist, dem der Existenz
und Nicht-Existenz. Dieses Paar von Gegensätzen wird ebenfalls in der atomaren Realität aufgehoben. Wir können niemals
sagen, daß ein atomares Teilchen an einem bestimmten Ort existiert, noch können wir sagen, daß es nicht existiert. Da es eine
Wahrscheinlichkeitsstruktur ist, hat das Teilchen Tendenzen,
an verschiedenen Orten zu existieren, und manifestiert so eine
sonderbare Art von physikalischer Realität zwischen Existenz
und Nicht-Existenz. Wir können daher den Zustand des Teilchens nicht in festen gegensätzlichen Begriffen beschreiben. Es
ist nicht an einem definitiven Ort
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