Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritjof Capra
Vom Netzwerk:
relativistischen Gerüst große
mathematische Eleganz und Schönheit. Viele Jahre Arbeit mit
der Relativitätstheorie haben uns gelehrt, diese Eleganz zu
würdigen und mit dem mathematischen Formalismus gründlich
vertraut zu werden. Dies hat jedoch unserer Intuition nicht sehr
viel geholfen. Wir können die vierdimensionale Raum-Zeit
oder die anderen relativistischen Begriffe mit unseren Sinnen
nicht direkt erfassen. Wenn wir Naturphänomene studieren,
die hohe Geschwindigkeiten mit sich bringen, fällt uns der Umgang mit diesen Begriffen auf der Ebene der Intuition und der
gewöhnlichen Sprache sehr schwer. In der klassischen Physik
wurde zum Beispiel angenommen, daß Stäbe in Bewegung und
in Ruhe dieselbe Länge haben. Die Relativitätstheorie zeigte,
daß das nicht zutrifft. Die Länge eines Objekts hängt von dessen Bewegung relativ zum Beobachter ab und verändert sich
mit der Geschwindigkeit dieser Bewegung. Das Objekt verkürzt sich in Richtung seiner Bewegung. Ein Stab hat seine
größte Länge in einem Bezugssystem, in dem er in Ruhe ist, und
verkürzt sich mit relativ zum Beobachter zunehmender Geschwindigkeit. In den »Streu«-Experimenten der Hochenergie-Physik, wo Teilchen mit extrem hoher Geschwindigkeit zusammenstoßen, ist die relativistische Verkürzung so stark, daß
kugelförmige Teilchen zu »Pfannkuchen« reduziert werden.
    Es ist daher wenig sinnvoll, nach der »tatsächlichen« Länge
eines Objekts zu fragen, genauso wenig wie nach der tatsächlichen Länge des Schattens eines Menschen. Der Schatten ist
eine Projektion von Punkten im dreidimensionalen Raum auf
eine zweidimensionale Ebene, und seine Länge richtet sich
nach dem jeweiligen Projektionswinkel. Ähnlich ist die Länge
eines sich bewegenden Objektes die Projektion von Punkten in
der vierdimensionalen Raum-Zeit in den dreidimensionalen
Raum, und seine Länge ist in den verschiedenen Bezugssystemen verschieden.
    Was für Längen gilt, gilt auch für Zeitintervalle. Sie hängen
auch vom Bezugssystem ab, aber im Gegensatz zu räumlichen
Messungen werden sie mit relativ zum Beobachter zunehmender Geschwindigkeit größer. Das bedeutet, daß Uhren in Bewegung langsamer laufen; die Zeit wird langsamer.
Diese
Uhren können von ganz verschiedener Art sein: mechanische
Uhren, Atomuhren oder sogar der menschliche Herzschlag.
Würde einer von zwei Zwillingen eine schnelle Rundreise im
Weltraum unternehmen, so wäre er bei der Heimkehr jünger
als sein Bruder, weil alle seine »Uhren« - sein Herzschlag, sein
Kreislauf, seine Gehirnwellen etc. - sich während der Reise
verlangsamt hätten, vom Gesichtspunkt des Mannes auf der
Erde. Der Reisende selbst würde natürlich nichts Ungewöhnliches feststellen, erst nach seiner Rückkehr würde er plötzlich
merken, daß sein Bruder jetzt viel älter ist. Dieses »ZwillingsParadox« ist vielleicht das bekannteste Paradox der modernen
Physik. Es hat in wissenschaftlichen Zeitschriften heiße Diskussionen hervorgerufen, von denen manche noch andauern,
ein sprechender Beweis für die Tatsache, daß die von der Relativitätstheorie beschriebene Realität mit unserem gewöhnlichen Verstand nicht leicht zu fassen ist.
    Das langsamere Gehen von Uhren in Bewegung wurde, so
unglaublich es klingt, in der Teilchen-Physik gründlich geprüft.
Die meisten subatomaren Teilchen sind instabil, d. h. sie zerfallen nach einer gewissen Zeit in andere Teilchen. Zahlreiche
Versuche haben bestätigt, daß die Lebenszeit* solcher instabilen Teilchen von ihrem Bewegungszustand abhängt. Sie nimmt
mit der Geschwindigkeit des Teilchens zu. Teilchen, die sich
mit 80% der Lichtgeschwindigkeit bewegen, leben etwa
1,7 mal so lange wie ihre langsamen »Zwillingsbrüder«, und bei
99% der Lichtgeschwindigkeit leben sie etwa 7mal so lange.
Das heißt wiederum nicht, daß sich die »innere« Lebenszeit des
Teilchens ändert. Vom Standpunkt des Partikels aus ist seine
Lebenszeit immer die gleiche, aber vom Standpunkt des Beobachters im Laboratorium aus lief die »innere Uhr« des Teilchens langsamer, und daher lebt es länger.
    All diese relativistischen Effekte scheinen nur deshalb
merkwürdig, weil wir die vierdimensionale Raum-Zeit-Welt
nicht mit unseren Sinnen erleben, sondern nur ihre dreidimensionale Abbildung beobachten können. Diese Bilder haben in
verschiedenen
Bezugssystemen verschiedene Aspekte: Objekte in Bewegung sehen anders aus als Objekte in Ruhe, und
sich bewegende Uhren gehen anders. Diese Effekte scheinen
paradox,

Weitere Kostenlose Bücher