Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
namentlich die Spanier, dem Tudor-König Gift verabreichen?«
»Ihr habt auf der Reise von Dover hierher selbst gesagt, es läge nahe«, sagte Zimenes gelassen.
Scheyfve schluckte und fiel kraftlos in die Polster zurück. »Ihr meint, mein Nachfolger Renard, dieses diplomatische Nichts, wagt es tatsächlich, mich – Jehan Scheyfve – zu verraten und zu hintergehen? Was für ein niederschmetternder Gedanke!«
»Fasst Euch. Wenn es so ist, dann habt Ihr einen Stümper zum Gegner.« Zimenes fuhr mit dem Zeigefinger über die Schreibtischplatte und zerrieb Staub zwischen seinen Fingern. »Er kennt sich mit der Dosis nicht aus, sie ist zu schwach. Es sei denn, er ist ein Mann, der sich gern an langen Todesqualen weidet.«
»Dazu fehlt es Renard an Leidenschaft«, sagte Scheyfve abfällig. »Er hat nur seinen raschen Aufstieg im Sinn. Hätte er einen Weg gefunden, Edward – einem Vorkoster wie Henry Sidney zum Trotz – Gift zu geben, wäre er verschwenderisch damit umgegangen.«
Triumphierend wirbelte Zimenes herum. »Dann, mein Freund, müssen wir die Sache in einem ganz anderen Licht betrachten. Wer hat Interesse daran, einen Todgeweihten künstlich am Leben zu erhalten?«
Scheyfve sprang auf. »Ihr verwirrt mich!«
»Das ist mir eine wahre Freude, werter Scheyfve!« Zimenes gönnte sich ein knappes Lächeln.
»Macht jetzt keine Scherze. Was meint Ihr damit?«
» Die Dosis macht das Gift , schreibt Meister Paracelsus. Wie kein anderer weiß dieser große Heiler das weiße Pulver als Heilmittel einzusetzen. Schon die Griechen nannten es lebensstärkend.«
»Aber das stellt alles auf den Kopf!« Scheyfve fuhr sich über die Stirn.
Zimenes nickte. »So ist es. Die Katholiken ersehnen Edwards Tod, um Maria auf den Thron zu verhelfen. Aber auch Dudley zieht Nutzen aus dem Tod des Königs. Jane Grey soll schließlich das Erbe antreten. Freilich ...« Zimenes machte eine Pause.
»Weiter, weiter!«, drängte Scheyfve.
»Freilich wäre es für Dudley von Vorteil, wenn ebenso schleichend wie das Gift das Gerücht aufkäme, Katholiken oder Maria Tudor selbst trachteten Edward nach dem Leben. Gleichgültig, wie beliebt Maria beim englischen Volk sein mag, eine Giftmörderin will niemand auf dem Thron.«
Scheyfve stürmte zur Tür und riss sie auf. »Beim Blute Christi, ich muss sofort an den Hof zurück.« Er stürzte in den Korridor. Bei der Treppe prallte er mit der Magd zusammen, die ein Tragbrett mit Brot und Käse an die Brust drückte.
»Werter Herr, ich habe hier ...«
»Nicht jetzt!«, fluchte er und drängte sich hastig an ihr vorbei.
13.
N EWGATE M ARKET
Hurenscheiße! Das musste Liebe sein!
Kein Mensch, der halbwegs bei Sinnen war, würde sich ohne seinen Degen in einen Ringkampf mit einem verwundeten Joshua Painbody stürzen – außer Samuel van Berck.
Und Cass. Himmel, die junge Frau glich einer Furie! Mit Samuels Degen stürmte sie auf die Kämpfenden los, die sich in einem unentwirrbaren Knäuel aus Armen und Beinen über die Bretter wälzten. Hilflos suchte sie nach einer Möglichkeit, die Kontrahenten mit dem Degen zu trennen, ohne Samuel zu verletzen. Nat stand Samuel mit gezielten Tritten bei.
Painbodys rechter Arm wies tiefe Schnitte auf, doch immer noch hielt er sein Messer fest umklammert. Jetzt kam er unter Samuel zu liegen, der ihn mit Fausthieben zu schwächen suchte. Die meisten prallten am König vom Themsekai ab. Painbody gelang es, den Schaft seines Gerbermessers in der Faust so zu drehen, dass er die Klingenspitze gegen Samuels Flanke lenken konnte. Ein Beben ging durch seine Muskeln. Er sammelte alle Kraft zum Stoß.
Samuel ließ seine rechte Faust auf das Kinn seines Gegners niedersausen. Es knackte kurz. Painbody holte aus. Doch bevor er die Schneide seinem Gegner ins Fleisch jagen konnte, gruben sich Zähne in seine Pranke.
Painbody jaulte auf. Er ließ das Messer fallen und grapschte nach Nats Haarschopf. Samuel sprang von seinem Widersacher hoch und entwand Cass den Degen, während diese den Jungen von Painbody wegzerrte.
Vor Zorn brüllend kam Painbody wieder auf die Beine. Er stürzte sich auf Samuel, packte ihn bei der Kehle und drückte mit aller Macht zu. Samuel spannte die Halsmuskeln. Der Schmerz seiner kaum abgeheilten Pfeilwunde stach wie ein Satz Wurfmesser im Rücken. Mit schwindender Kraft führte er seinen Degen nach hinten.
Aus einem Fenster über der Bühne gellte ein Schrei. »Samuel, hinter dir!« Es war Lunetta, die schrie, Lamberts Gesicht –
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