Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
bleich und abgezehrt – tauchte daneben auf.
»Der Herr sei mit dir«, murmelte Enoch, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Er entriss Samuel die Klinge, holte zischend aus und ließ sie in Painbodys Nacken sausen.
Der Kopf knickte auf die Brust des Bettlerkönigs hinunter, wie ein Kornhalm, der zu fette Ähren trug. Er starb stehend, ohne einen einzigen Laut, anders als alle seine Opfer in den Kellern des Towers. Erst nach und nach lösten sich die Hände des Toten von Samuels Hals. Der junge Mann sprang zur Seite. Painbodys Leiche schlug krachend auf den Bühnenbrettern auf.
Enoch drehte sich mit dem immer noch erhobenen Degen zu Samuel um. »Verzeih, aber das war meine Aufgabe. Ich hätte das schon vor Jahren tun müssen. Er war ein schlechter Mensch.« Triumphierend drehte er sich zu Cass um. »Ich habe es für dich getan, glaub mir. Und nun komm.«
Samuel drängte ihn zur Seite, er wollte zu Cass, doch plötzlich sprengte ein Reiter die Stufen zur Bühne hoch und stieß ihn zur Seite. Sein Pferd stieg und drehte sich tänzelnd. Der Reiter griff sich den Propheten und zerrte ihn wie ein Bündel loses Holz zu sich heran. »Denkt an die Frau!«, rief Enoch. »Nat!«
Vor der Bühne sprangen weitere Gardisten von ihren Pferden und erklommen – angeführt vom Pagen – von allen Seiten das Schaugerüst. Sie trugen Lord Dudleys Farben. Der Page wies hektisch auf Cass. Ein Soldat stieß ihn achtlos von der Bühne. Samuel zog Cass entschlossen hinter sich, hob den Degen und verstellte den Soldaten den Weg. Besonnener als zuvor nahm er die aufrechte Haltung des Fechtkämpfers ein, beugte leicht die Knie und wagte aus halber Schräge den Ausfall. Mit kraftvollen Schwüngen drängte er zwei Soldaten zurück und brachte sie zu Fall, bevor sie ihre Schwerter ziehen konnten.
In geschickter Parade wich er einem Angreifer aus, der mit gezückter Waffe hinzusprang. Funken schlugen, als Samuels Klinge auf das Schwertblatt des Soldaten traf. Nat warf ihm das Schwert eines am Boden liegenden Gardisten zu. Samuel fing es auf und kämpfte abwechselnd mit Degen und Schwert.
»Es sind zu viele!«, schrie Cass hinter ihm.
Hurenscheiße! Recht hatte sie. Egal, wie leichtfüßig und kundig van Berck kämpfte, er brauchte Hilfe. Nat robbte über die Bretter, ließ sich mit schmerzenden Rippen auf das Pflaster des Marktplatzes gleiten. Still griff er sich die Zügel eines Pferdes und blinzelte ihm beruhigend zu.
Samuel holte wieder aus, sein Schwert kreuzte das eines Gegners, er kam mit dem Degen zum Schlag. Die Klinge schnitt tief ins Fleisch seines Angreifers. Der Mann ließ sein Schwert fallen. Samuel rammte einem anderen Mann den Klingenkorb seines Degens in den Bauch. Er warf das Schwert weg und wirbelte herum. Rasch fasste er Cass bei der Hand und zerrte sie zum Bühnenrand.
»Spring!«, schrie er, wehrte mit Degenstreichen einen Verfolger ab und wollte sie loslassen, doch Cass hielt seine Hand fest.
»Diesen Fehler mache ich kein zweites Mal.«
Einen Lidschlag lang trafen sich ihre Blicke. Die Nacht auf dem Turm. Er drückte ihre Hand, sie packte fester zu. Mehr brauchte es diesmal nicht. Sie taten einen Satz und landeten direkt vor Nat. Der Junge reichte Sam die Zügel des Pferdes. Samuel packte das Tier beim Widerrist und schwang sich in den Sattel. Nat schob Cass zu ihm hoch. Sie schlang ihre Arme um Samuel. Nat versetzte dem Tier einen Schlag auf den Hintern. Es preschte vor, jagte zwischen die Marktstände und trieb die Tollhäusler auseinander, die trotz des Auftritts der Dudley-Männer nicht zurückgewichen waren. Nat kroch rückwärts unter die Bühne. Hurenscheiße! Jetzt galt es, den eigenen Arsch zu retten. Von Propheten und Engeln hatte er die Nase gründlich voll.
»Holt das Mädchen zurück!«, schrie Enoch von irgendwoher. Nat sah die Beine von zwei Soldaten, die dem fliehenden Paar hinterhersetzten. Die Irren von Newgate, die sich auf denselben Weg machten, versperrten den Gardisten die Sicht und brachten sie mit ihren Ketten zu Fall. Der Anführer des Reitertrupps rief seine Männer scharf zurück. Er wies auf das Stadttor. Nat wusste, warum: Egal, wie groß die Macht eines Dudley sein mochte, die Londoner hatten eigene Hoheitsrechte und würden solche Überfälle nicht unbeantwortet lassen. Der Kommandant drückte Enoch, der vor ihm quer über dem Rücken des Pferdes lag, die Faust in den Nacken.
»Cass!«, wimmerte der Prophet. »Wo ist Cass? Ich brauche sie. Das Mädchen ist mit den Engeln
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