Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
verwandt. »Bonne chance, wir werden uns wiedersehen«, ertönten seine letzten Worte in ihrem Kopf. So zügellos er vor ihrer Entdeckung auch gewesen sein mochte, so teuflisch er ihr erschienen war ... Vielleicht war der Marquis in diesem Augenblick ehrlich gewesen? Sie war weder Hure noch gewiefte Hofdame. Und sie war nicht ihre Mutter, ausgeliefert ... Sie wagte nicht weiterzudenken, ihr Atem stockte. Weshalb dachte sie ausgerechnet jetzt an sie, die Märtyrerin? Welche Sünde sollte Anne Askew, die Unantastbare, mit ihr gemein haben? Keine!
    Der Tunnel begann sich zu weiten, und sie vermeinte eindringende Wärme zu verspüren.
    »Barmherziger!« Mit neuer Energie robbte sie nach vorn. »Licht, da ist Licht«, flüsterte sie.
    »Bete lieber, dass es nicht allzu hell draußen ist. Wir haben noch den Weg durch die Obstgärten vor uns. Es wäre ungünstig, wenn wir sie bei strahlender Morgensonne durchqueren müssten. Greenwich beherbergt mehr Soldaten als eine Kaserne.«
    Cass beachtete ihn nicht. Wenn sie erst hier heraus war, konnte sie allem entkommen. Sie kroch dem Dämmerstrahl entgegen und zwängte sich über lehmglatte Erde ins Freie, vernahm den Morgengesang der Tauben. Standen die Tauben nicht für Geburt und Erneuerung? Noahs Taube konnte nach der Sintflut sehen, was Menschen verborgen war, sie brachte ihm den Ölzweig, das Zeichen neuen Lebens. Cass spürte taufeuchtes Grün unter ihren Händen, sprang auf und murmelte ein Dankgebet. Sie war weder auf dem Weg in den Kerker noch war sie tot.
    »Kannst du nicht ein Mal den Namen des Herrn aus dem Spiel lassen«, bemerkte ihr Begleiter, als er hinter ihr aus dem Tunnel kroch. »Lauf schon los!«, drängte er und gab ihr einen Schubs in Richtung der Obsthaine. Cass stieß einen Laut des Unwillens aus und hieb ihm ihren Ellbogen nach hinten in die Brust. Der junge Mann taumelte überrascht.
    Cass schürzte Kleid und Flachshemd und lief los. Schnell und schneller. Der Kies eines Zierweges bohrte sich in ihre Ledersohlen, Rosenhecken krallten nach ihren Röcken, Haselzweige peitschten ihr ins Gesicht. Cass achtete nicht darauf, lief immer schneller und durchquerte mit ausgreifenden Schritten den Torbogen zu den Obstgärten.
    Vor ihr erstreckte sich ein Labyrinth aus Baumalleen: Kirsch-, Pflaumen-, Birnen- und Apfelbäume mit erblühten Kronen. Haselnuss- und Maulbeersträucher gliederten die Reihen, brachen den Wind und sorgten dafür, dass man sie nicht sah. Cass schaute heftig atmend zurück. Von ihrem Begleiter war nichts zu sehen. Prachtvoll. Sie hatte den Spanier abgeschüttelt.
    Rasch verbarg sie sich zwischen einer mannshohen Weißdornhecke und einem Haselstrauch, schöpfte so leise wie möglich Luft. Sie rollte das Dupois’ Unterkleid bis über die Brust und riss sich das aufgeschnittene Mieder vom Leib. Es hatte sich beim Laufen gelöst. Weiß leuchtete ihr Unterhemd unter dem grünseidenen Kleid.
    Die Farben der Tudors, dachte sie, während sie geschmeidig wie eine Katze in einen Baumschatten floh und sich hinter dichten Büschen verbarg. Prefer et obdura. Vollbringe und halte aus! Daran würde sie sich halten.
    Sie wagte einen Sprung über einen Bewässerungsgraben, lief im Zickzack an Heckenreihen und Schöpfbrunnen vorbei, verschwand wieder hinter einem Baum. Der Boden war dicht mit Gras bewachsen und schluckte jedes Geräusch. Sie achtete darauf, dass sie keinen Ast zertrat. Wachsam und immer neue Haken schlagend, arbeitete sie sich voran.
    Endlich entdeckte sie vor sich die Mauer, die den Palastgarten vom Themsekai trennte. Mit einem beherzten Satz war sie dort. Ihr Blick huschte über die Ziegelwand auf der Suche nach einem Vorsprung, an dem sie sich hochziehen konnte.
    Nein, da war nichts. Geduckt lief sie an der Mauer entlang. Da. Ein kleiner Tritt, den ein Gärtner angelegt haben musste, um das Spalierobst zu beschneiden, das die Mauer berankte. Rasch erklomm sie die geziegelten Stufen und griff nach einem kräftigen Ast, der sich ins Ziegelwerk krallte. Doch als sie sich zur Mauerkrone hochziehen wollte, wurde sie zurückgerissen und heruntergezogen. Cass spürte, wie sich das Rankwerk in ihren Händen knirschend von den Ziegeln löste. Stufe um Stufe schlidderte sie zurück. Dann drehte jemand sie unsanft um.

18.
    Hurenscheiße! Was wollten die jetzt alle? In der Frau hatte Nat die Lady im grünen Kleid von heute Morgen wiedererkannt. Es war das Mädchen aus der Kapelle. Hatte sich prima gemacht, die mögliche Braut. Sie war direkt an

Weitere Kostenlose Bücher