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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Vom Fuß der Turmtreppe drangen Tritte zu ihr herauf. Nicht nur ein Verfolger schien ihr auf den Fersen zu sein. Metall klirrte gegen Stein, jemand zog mit schneidendem Geräusch einen Degen.
    Sie musste springen! Wenn nicht für sich, dann doch, um das werdende Leben in ihrem Leib zu bewahren. Unmöglich konnte sie zwei Todsünden begehen, sich selbst und eine ungeborene Seele dem sicheren Tod zu ergeben. Spring!
    Ihre Hände gehorchten ihr nicht, gruben sich tiefer ins Mauerwerk. »Mach schon, du dumme Gans!,« feuerte sie sich an. »Prefer et obdura.« Sie löste die Hände von den Steinen.
    Da griff jemand nach ihrem Arm. Cass’ Herz setzte aus, wild schüttelte sie die Hand ab und schnellte herum. Sonnenlicht blendete sie.
    Sie sah in karamellfarbene Augen, als sie ein harter Stoß mitten auf der Brust traf. Sie suchte Halt, krallte sich in Haare, Haut, Stoff. Ihre Füße glitten vom Stein. Sie hörte Todesschreie, während sie stürzte. Es waren nicht ihre. Cass fiel stumm, wie verwundert und mit weit aufgerissenen Augen, die rechte Hand zur Faust geballt. Sie umschloss darin etwas Glattes, Hartes. Nichts, das sie würde retten können.
    Mit einem Klatschen landete sie im Fluss. Der Aufprall war schmerzhaft, die Wasseroberfläche starr wie Schiefer, in einem mächtigen Schwall schlug die Themse über ihr zusammen.
    Wild um sich schlagend, kämpfte Cass sich nach oben. Der Geschmack von Salz, vermischt mit Bodensatz und Bracke, verstopfte ihre Kehle, ihre Nasenlöcher, ihre Ohren. Endlich konnte sie wieder Luft schnappen. Sie spie und spuckte, hustete alles aus.
    Die Strömung packte sie und riss sie mit sich wie das lose Strauchwerk und den aufgeblähten Leib eines ertränkten Hundes, der im Strom kreiselte. Der Kadaver hüpfte auf und nieder, versank und schoss wieder nach oben. Wie Treibgut wurde auch Cass zur Mitte des Stroms gezogen, während sie darum kämpfte, an der Oberfläche zu bleiben. Wasser schien in ihrem Brustkorb zu gefrieren, sie konnte kaum noch atmen, so schmerzhaft war jeder Luftzug. Und obwohl ihr Herz in trotzigem Lebenswillen pumpte und hämmerte, spürte sie, dass sie im tiefsten Inneren, im schwärzesten, schmerzerfülltesten Teil ihrer Seele, aufhören wollte, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen.
    Sie sehnte sich danach, vollkommen still zu werden und alles einfach geschehen zu lassen. So wie ihre Mutter.
    Unwillkürlich verkrampfte sich Cass’ rechte Hand. Noch immer hielt sie den kleinen Gegenstand fest, den sie einem ihrer Angreifer entrissen hatte. Der Fluß nahm eine Biegung, sie erkannte mit schwankendem Blick das Ufer auf der anderen Seite, wurde darauf zu- und wieder abgetrieben. Ihre Arme beendeten den vergeblichen Kampf gegen die Strömung. Ihr Körper schien von einem Kokon umschlossen zu sein, der sie gnädig ersticken würde.
    Der Tod in den eisigen Fluten würde unendlich viel sanfter sein als der Tod im Feuer. Sie würde die Besinnung verlieren, einfach hinübergleiten in das Reich der Toten. Sie spürte, wie sie wieder versank, über ihr verschwamm der Himmel in schmutzigem Flaschengrün. Wieder schluckte Cass Wasser.
    Nein, der Tod war kein Schlummertrunk.
    Wie von selbst begannen ihre Beine zu zucken, ihr Körper kämpfte darum, ihr Blut in Bewegung zu halten, er zwang ihr seinen Lebenswillen auf. Cass kämpfte sich wieder nach oben, schnappte nach Luft.
    Mit plötzlich aufschießender Kraft versuchte sie, mit den Beinen zu treten, immer und immer wieder. Verzweiflung packte sie, irgendetwas hatte sich um ihre Beine gerankt. Ihr Kleid verhedderte sich in Flussalgen oder in einem alten Seil. Nein, nicht so, so wollte sie nicht sterben. Ohne Wahl. Hilflos. Ausgeliefert.
    Sie versuchte, ihre Beine anzuziehen und ihre fühllosen Hände dazu zu zwingen, sich zu befreien. Sie bemerkte, dass ihre rechte noch immer zur Faust geballt war, zu einer eisernen Faust, und aus tiefstem Gund flüsterte die Stimme ihrer Mutter Wörter, deren Sinn ihr vor Ewigkeiten entfallen war. »Ol sonf vorsag – vergiss nie die Sprache der Engel.«

II. Teil
    E RZENGEL S ANDALPHON
    (G OTTES G ÄRTNER )
     
    I CH BIN DER E NGEL DER L EBENSFREUDE UND
G LÜCKSELIGKEIT , EIN H EILER ALLER H ERZENSWUNDEN .
I CH SCHENKE EUCH REICH EIN . E INST WANDELTE ICH ALS
P ROPHET E LIAS AUF E RDEN . M OSES NANNTE MICH
» DER GROSSE E NGEL «, DER H ERR BESTIMMTE MICH ZUM
S ARIM , EINEM P RINZEN DER E NGEL . M EIN Z WILLING IST DER
E RZENGEL M ETATRON , DER NAH BEI G OTT SITZT UND WIE
ICH VOM M ENSCHEN

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