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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Wunsch nach Versöhnung hatte Samuel keinen Raum gelassen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und seinen Weg zu gehen.
    »Sei freundlich, wenn man deinen Vater zu uns bringt«, bat sie Samuel leise. »Auch wenn die Bedingungen seiner Haft bequem erscheinen, trägt er schwer daran und verliert allmählich alle Kraft.«
    »Das musst du mir nicht sagen«, erwiderte Samuel abweisend.
    »Dein Vater hat deinetwegen die Unterschrift verweigert, er will keinem Krieg für Maria Tudor Vorschub leisten, in dem du sterben könntest. Begreifst du das nicht?«
    »Das habe ich längst begriffen, Mutter. Und ich habe auch begriffen, was es heißt, zu Tatenlosigkeit verurteilt und ohne Hoffnung zu sein.«
    »Es gibt immer Hoffnung. Erst recht für dich, du bist jung«, setzte Lunetta hilflos an.
    »Nein Mutter, sag mir nicht, dass die Zeit alle Wunden heilen wird. Sie vergeht ganz einfach, das ist ihr einziges Geheimnis. Und ich habe genug davon verschwendet. Du hättest mir nach Canterbury schreiben sollen, dass Vater in Haft sitzt.«
    »Du musstest in Ruhe gesund werden, ich wollte dir nicht noch mehr Kummer bereiten.«
    »Was mir Kummer und was mir Freude bereitet, weiß allein ich. Aber es hilft niemandem, wenn er sich wie ein Versager fühlt«, sagte Samuel.
    Lunetta erschrak. Sie hatte seine älteste Wunde wieder aufgerissen und noch tiefer gemacht. Noch immer warf ihr Sohn sich vor, dass er als Elfjähriger das Kesseltreiben der Reformer von Canterbury hilflos mit ansehen musste. Mit ihren fürsorglichen Lügen hatte sie dafür gesorgt, dass er sich nun auch Schuld an der langen Haft seines Vaters gab.
    Samuel wandte sich wieder dem Fenster zu. »Ich werde tun, was ich kann, damit Vater aus dem Gefängnis freikommt. Zumindest das traue ich mir zu.«
    Auf dem Marktplatz hagelte es braune Äpfel auf die Narren. Ein übermütiges Marktweib trennte sich von einem Dutzend Enteneiern. Sofort rauften die Tollhäusler miteinander, weil sie einander das Eigelb aus Haaren und von Kleidern zu schlecken versuchten. Unter dem Gelächter der Zuschauer erreichte der Zug die Bühne. Mit Peitschenknallen trieben die Turmwächter die Irren die Stiege hinauf.
    Vor der Bühne kaute Nat auf einer Brezel. Er schielte nach Cass und erntete einen gleichgültigen Blick. Pah, ihn legte so schnell niemand rein! Seine Augen glitten zu ihren Händen hinab. Wieder einmal lagen sie schützend auf ihrem Bauch.
    »Is gleich vorbei. Dann kommt Enoch, der is immer der Höhepunkt«, sagte er munter. »Mach dich auf was gefasst!«
    Die Turmwächter hieben die tollenden Narren auseinander, die Büttel des Marktvogtes sprangen in die Reihen der Zuschauer und sorgten mit Stockhieben für Ruhe. Oben wurde der Mann mit dem Widderkopf an den Bühnenrand gestoßen.
    »Der Prophet von Newgate!«, schrie ein Wächter und schlug ihm den Tierschädel vom Kopf. Alle starrten auf den Mann mit dem Körper eines Skeletts und dem Gesicht einer Mumie. Enoch starrte aus blinden Augäpfeln zurück. Wohlige Entsetzensschreie gingen in schauderndes Flüstern über, selbst das Geschrei von Gänsen und Hühnern schien zu verebben.
    »Und dieses arme Geschöpf soll uns helfen können?«, flüsterte Cass fassungslos.
    »Vertrau ihm. Gleich kommt die Nummer mit den Augen. Das ist das Beste«, versicherte Nat rasch.
    »Danach redet er eine Weile wirres, ziemlich drastisches Zeug«, ergänzte der Page und bändigte den zappelnden Sack auf seinem Rücken. »Dem Publikum gefällt es. Seine echten Weisheiten verplempert er allerdings nicht an tumbe Gaffer.«
    »Oder an Pagen«, giftete Nat.
    »Mich interessieren weder wirres Zeug noch Weisheiten«, versetzte Cass erbost. »Dieser bedauernswerte Mann kann uns wohl kaum helfen.«
    »Doch«, sagte Nat. »Der kann.«
    Eine murmelnde Stimme ließ sie innehalten. Sie war sanft wie Mandelmilch. Der Stimme gelang, was Stockhiebe und Peitschenschläge nur unzureichend geschafft hatten. Es wurde still unter den Tollhäuslern und auf dem Platz. Am sinnlosen Wahnsinn hatte man sich sattgesehen. Dieser Irre versprach eine Abwechslung.
    Enoch richtete sich auf. »Gottes Sprache ist die Stille.«
    »Lauter, ich hör nichts!«, schrie ein feister Mann in blutiger Schürze hinter Cass. Enoch versank in Schweigen, seine Augäpfel verschwanden in den Höhlen.
    »Ist das alles für heute?«, meckerte ein Kenner des Spektakels.
    »Wie bitte?«, grölte es aus vielen Kehlen. Erste Zuschauer wurden unruhig.
    Die Herren des Bühnenspektakels tauschten nervöse

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