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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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man geheilt werden wollte, oft genau das war, was einen heilte. Wut, Schmerz, Angst, Hass, Trauer – jedes Gefühl war ein Lehrmeister, wenn man es dazu machte.
    Für sie war es am Ende eines langen Weges die Liebe gewesen, die sie zuvor nur als Wunde kannte. Ihr Sohn schien jedoch etwas anderes zu brauchen. Er erteilte der Liebe nicht einmal die Erlaubnis, ihn zu finden, vielleicht hatten sie und Lambert ihn zu reich damit beschenkt.
    »Ich werde gehen, um die Wächter zu suchen«, sagte sie endlich. Samuel schien in den Anblick des Narrentheaters versunken zu sein. Seufzend verließ sie die Kammer.
    Lautlos zog ihr Sohn seinen Seitendegen aus der Scheide, kniete sich auf den Boden und legte die Waffe nieder, mit der Spitze auf sich gerichtet. Dann bekreuzigte er sich. »Dein Wille geschehe.«
    Painbody weidete sich an Nats angstvoll aufgerissenen Augen. »Um dich kümmere ich mich später«, sagte er grinsend und wandte sich zu Cass. »Und du, mein Täubchen, kommst auch noch dran. Der Prophet hat mir eine hübsche Summe für eure – wie hat er sich ausgedrückt – Himmelfahrt gezahlt.« Er stieß den Pagen roh zur Seite und stellte sich mit verschränkten Armen zwischen Nat und Cass. Eingezwängt von den vielen Zuschauern, konnten sie nicht fliehen. Nat tastete nach Cass’ Hand und drückte sie, mehr fiel ihm nicht ein. Außer dass Enoch am Ende vielleicht doch nur ein Irrer war. Ein gefährlicher Irrer. Cass stand da, wie zur Bildsäule erstarrt.
    »Weiter, mach endlich weiter!« , zischte derweil der Vogt auf der Bühne in Enochs Richtung.
    Der Prophet schenkte ihm ein Lächeln. »Wollt Ihr das wirklich?«, fragte er nachsichtig.
    Ein wütendes Nicken war die Antwort.
    Enoch hob in einer fließenden Bewegung den rechten Arm. Seine Hand war zur Faust geschlossen. Er holte aus. Ein Regen aus Steinen ging auf die Zuschauer vor der Bühne nieder. Wieder und wieder schleuderte der Seher bunt flackernde Steine in die Menge.
    »Was soll das?«, schrie ein Zuschauer und rieb sich die Stirn. Die Klügeren gingen rasch in die Knie, um sich selbst zu überzeugen, statt dumme Fragen zu stellen.
    »Juwelen!«, schrie einer. Vor der Bühne brach ein Tumult aus. Enochs Miene blieb unbeteiligt, mit knochigem Finger wies er zum Bühnenrand. Dahin, wo Cass und Nat inmitten des Gewühls und Gezänks um Beute standen, zwischen ihnen Painbody. Der König des Themsekais packte Cass am Handgelenk und machte einen Schritt auf das Holzgerüst zu.
    »Das ist mein Zeichen, du Tölpel! Du kommst erst bei amor dran«, zischte der Page zu Nat.
    Der verstand kein Wort. Hurenscheiße! Nicht nur mit dem Teufel Painbody, sondern sogar mit diesem Trottel hatte der Meister hinter seinem Rücken paktiert. Wozu? Auch Satan ist ein Engel, flüsterte Enoch in ihm. Nat zuckte zusammen wie unter einer Ohrfeige.
    Der Page ließ den zappelnden Sack sinken. Einen flüchtigen Augenblick lang spürte Cass etwas Raues, Pelzartiges an ihren Beinen, hörte ein bösartiges Fauchen. Sie schrie auf. Keiner beachtete sie. Enoch verneigte sich, als habe er ein Zauberkunststück vollführt. Lächelnd starrte er in die Menge.
    Unvermittelt brach bei einem Hühnerpferch in der Mitte des Marktes die Hölle los. »Ein Fuchs!«, schrie eine Händlerin. »Ein Rudel Wiesel!«, brüllte es aus einer anderen Richtung. »Rettet eure Waren.« Das Kreischen von Hühnern, Enten und Gänsen, aber auch von Rupfmägden, Metzgern und Krämern füllte die Luft über dem Platz. Schlachtmesser wurden gezückt und Knüppel hervorgezogen. Vor der Bühne wurde weiter um Sarder, Jaspis und Türkis gestritten.
    Das Schweigen in der Gefängniskammer war vollkommen. Samuel lag, seine Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, bäuchlings auf den Dielenbrettern. Sein Körper bildete das Kreuz. Ganz wie es die katholische Mönchsweihe vorschrieb.
    »Herr, empfange mich als deinen Diener«, murmelte er, »schenke mir Frieden und Erleuchtung.« Und wieder. »Schenke mir Frieden und Erleuchtung.«
    Der Frieden stellte sich nicht ein.
    Demut ist kein Geschenk, sondern ein Weg, suchte Samuel sich zu beruhigen. Der einzige Weg in das Licht des Herrn.
    »Ihr müsst noch viel lernen, junger Freund«, mischte sich Jehan Scheyfve munter lärmend in seine Gedanken. Verflucht! Wieso dachte er ausgerechnet an ihn? Dieses Schlitzohr hatte in seinem Zwiegespräch mit Gott nichts zu suchen!

11.
    Der Marktvogt brüllte scharfe Befehle. Bis auf den Mann mit dem Ochsenziemer sprangen die Büttel und Turmwächter von

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