Das Tartarus-Orakel
das es seit über 4500 Jahren nicht mehr gegeben hat.«
Der bärtige Araber runzelte die Stirn. »Die zweite große Drehung der Sonne? Was ist das?«
»Obwohl man es nicht sehen kann, dreht sich die Sonne um ihre eigene Achse, ganz ähnlich wie die Erde. Allerdings dreht sie sich nicht so gleichmäßig auf einer Ebene. Vielmehr kippt sie dabei langsam auf und ab. Und dabei wird etwa alle 4000 bis 4500 Jahre ein bestimmter Bereich der Sonne – der so genannte Tartarus-Sonnenfleck – unmittelbar auf die Erde gerichtet. Das ist eine schlimme Sache.«
»Warum?«
»Weil der Tartarus-Sonnenfleck der heißeste Punkt der Sonne ist«, sagte Zoe Kissane, die zu ihnen kam und sich setzte. »Die alten Griechen benannten ihn nach einem der beiden Reiche ihrer Unterwelt. Das angenehmere Reich waren die Elysischen Gefilde – dort herrschte ewige Glückseligkeit. Das schreckliche, ein verfluchtes Land voller Feuer und Flammen, widerhallend von den Schreien derer, die dort die Strafe für ihre Sünden verbüßen mussten, nannten sie Tartarus.«
»Die Temperatur auf der Erde steigt seit nunmehr 20 Jahren stetig«, sagte Epper, »weil der Tartarus-Sonnenfleck näher rückt. Wenn er etwa zwei Wochen lang direkt auf die Erde scheint, wie es schon einmal vorkam, werden die Temperaturen auf eine unerträgliche Höhe steigen, um die 110 Grad Celsius.
Die Regenwälder werden zurückweichen, Flüsse werden versiegen. Die Menschheit wird sich in dieser Zeit in geschlossene Räume zurückziehen müssen. Auf der Erde wird es buchstäblich sengend heiß werden, doch das lässt sich überleben.
Der Haken dabei ist nur, dass die Polkappen schmelzen werden, was weltweit zu gewaltigen Überschwemmungen führen wird. Die Ozeane werden um rund 15 Meter steigen. Viele Küstenstädte rund um die Welt werden schwer in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber wie schon gesagt, das lässt sich alles überstehen, wenn die entsprechenden Vorwarnungen herausgegeben werden.«
»Okay …«, sagte Saladin.
Epper war noch nicht fertig. »Nun liegen uns geologische Aufzeichnungen vor, die darauf hindeuten, dass es in früherer Zeit mehrmals zu einem massiven Ansteigen des Meeresspiegels kam – genauer gesagt, um 15000, um 10500 und um 6500 vor Christus.
Die Flut im 15. vorchristlichen Jahrhundert wurde, so nimmt man an, durch eine gewaltige Plattenverschiebung am Meeresboden ausgelöst, bei der unter anderem der Persische Golf entstand. Die Flut des Jahres 10500 ist allgemein anerkannt und wird in religiösen Schriften auf aller Welt als ›Große Flut‹ bezeichnet – es handelt sich um die Sintflut, der Noah in der Bibel entrinnt, die Flut, die in sumerischen Texten erwähnt wird, und selbst die australischen Aborigines beziehen sich in ihren Traumüberlieferungen auf eine große Flut.
Die jüngste große Flut, die des Jahres 6500 vor Christus, deckt sich weitestgehend mit einem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels, der so genannten Flandrischen Transgression, bei der ganz Küstenabschnitte bis zu 20 Meter im Wasser versanken.« Epper beugte sich vor und setzte zum entscheidenden Punkt an. »Alle drei großen weltweiten Fluten ereigneten sich im Zuge der Tartarus-Rotation. Im Jahr 2570 vor Christus hingegen« – er hob den Finger – »bei der jüngsten Tartarus-Rotation, kam es zu keiner derart gewaltigen Flut. «
Saladin runzelte die Stirn. »Wollen Sie damit sagen, dass irgendetwas die Katastrophe verhindert hat? Und dass es irgendetwas mit den Pyramiden zu tun hat?«
»Ja«, sagte Epper. »Es ist kompliziert, aber vor Pharao Djoser, also um das Jahr 2660 vor Christus, bauten die Ägypter keine Pyramiden. Und nach Menkaure im Jahr 2503 vor Christus bauten sie keine derart riesigen mehr. Tatsache ist, dass die Ägypter etwa 160 Jahre lang geradezu versessen waren, Pyramiden zu bauen, deren Höhepunkt die große Pyramide wurde. Und danach errichteten sie nie wieder eine.
Sie hörten einfach damit auf … unmittelbar nach der Tartarus-Rotation des Jahres 2570 vor Christus. Die ägyptische Architektur war auch später noch eindrucksvoll und kolossal – aber Pyramiden entstanden nicht mehr.«
»Sie meinen also, die Ägypter wussten irgendwie über den nahenden Tartarus-Sonnenfleck Bescheid?«, fragte Saladin. »Wurden sie etwa von Aliens besucht oder irgend so was Ähnlichem, die ihnen auftrugen, die große Pyramide zu bauen und einen speziellen Schlussstein anzubringen?«
Epper zog nur theatralisch die buschigen Augenbrauen hoch. »Ich weiß
Weitere Kostenlose Bücher