Das Tattoo
schlechtes Ge wissen. Sie wirkte so verletzlich, so durcheinander.
„Francesca…”
„Was ist?”
„Hör zu, es tut mir Leid, wenn ich dich verletzt habe, aber du musst mich auch verstehen …”
„Warum?”
Er zögerte und runzelte fragend die Stirn. „Was warum?”
„Warum sollte ich mich bemühen, dich zu verstehen, während du dir diese Mühe nicht machen willst?”
Er atmete tief durch. Er wollte nicht mit ihr kämpfen, er woll te einfach nur Antworten.
„Wie soll ich denn etwas verstehen, das sich für mich als ein einziges großes Fragezeichen darstellt?”
Ihr schossen sofort wieder die Tränen in die Augen. „Glaub mir, es gibt niemanden, der das mehr bedauert als ich. Aber da ist etwas, woran ich mich noch ganz genau erinnere.”
Er horchte auf. „Und was ist das?”
„Wie sehr ich dich liebe.”
Er spürte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich. Der Schmerz, der in ihrer Stimme mitschwang, war kaum auszuhalten. „Ich liebe dich auch”, flüsterte er mit bebender Stimme.
Ihr Kinn zitterte. „Und warum tust du mir das an, Clay? Warum bist du so kalt und abweisend?”
Seine Hände bebten, als er ihr den Umschlag zuwarf. Geldscheine rutschten heraus und flatterten zu Boden.
„Das war in deiner Hosentasche. Wo kommt es her?”
Frankie schaute auf die flatternden Noten, während in ihrer Erinnerung ein weiteres Mal ein Bild aufblitzte.
Sie wälzte den Mann auf den Rücken. Als ihr Blick auf das Blutrinnsal fiel, das aus seinem Mund lief, wurde sie von Entset zen gepackt. Aber sie biss die Zähne zusammen und schob ihre Rechte in seine Hosentasche. Das Geld würde sie brauchen, um wegzukommen.
„Frankie?”
Sie schaute auf, aber ihre Miene blieb undurchdringlich.
„Ich habe dich etwas gefragt.”
„Entschuldige, ich habe dich nicht verstanden. Was ist?”
„Ich habe dich gefragt, wo das Geld herkommt.”
Die Antwort kam aus dem Nichts und überraschte sie selbst noch mehr als Clay.
„Ich dachte, er sei tot.”
Clay zuckte zusammen, als ob sie ihm eine Ohrfeige versetzt hätte, dann packte er sie am Arm, um sie zu zwingen, ihn anzuse hen.
„Was sagst du da?”
Sie schlug sich die Hände vors Gesicht. „Ich habe keine Ah nung”, murmelte sie dumpf.
Aber Clay ließ nicht locker. „Wer, Frankie? Wer war angeblich tot?”
Dunkle Augen - blendend weiße Zähne - und dieses Lächeln - immer dieses Lächeln.
Gleich darauf löste sich das Bild auf, zu schnell, um das ganze Gesicht erkennen zu können.
„Ich weiß es nicht”, stöhnte sie.
Er wandte sich fluchend ab.
Plötzlich konnte Frankie nicht mehr. Sie warf sich auf die Knie und rief verzweifelt: „Um Himmels Willen, Clay, so gib mir doch wenigstens eine Chance, ich flehe dich an!”
Clay drehte sich um. Als er sie auf dem Boden sah, verspürte er brennende Scham. „Oh, mein Gott, Francesca, tu das nicht.”
Er hob sie hoch und trug sie über den Flur ins Schlafzimmer. Ihr leises Schluchzen ging ihm zu Herzen. Nachdem er sie aufs Bett gelegt hatte, drehte sie ihm den Rücken zu und rollte sich wie ein Baby zusammen.
„Frankie, ich …”
Als er sah, dass sie sich die Ohren zuhielt, unterbrach er sich und richtete sich wieder auf. Ihm war hundeelend zumute. Er deckte sie mit einer Decke zu und ging zur Tür.
Doch bevor er das Zimmer verlassen konnte, drehte sie sich auf den Rücken und schaute ihn aus verweinten Augen angstvoll an. „Nicht die Tür zumachen!”
Er zögerte einen Moment. „In Ordnung”, sagte er schließlich.
„Ich hasse es, eingesperrt zu werden”, murmelte sie und achtete darauf, dass er die Tür auch wirklich offen ließ.
Clays Herz hämmerte, als er wieder in die Küche zurückging und die Geldscheine vom Fußboden aufhob. Er dachte an die Angst, die in ihrer Stimme mitgeschwungen hatte.
Ich dachte, er sei tot.
Er schaute auf das Geld in seiner Hand und erschauerte.
„Guter Gott”, murmelte er und schob die Scheine in den Umschlag zurück, den er in die nächstbeste Schublade stopfte. Später würde immer noch genug Zeit sein zu überlegen, was er damit tun sollte. Im Moment wollte er den Umschlag einfach nur nicht mehr sehen.
Am anderen Ende des Flurs lag Frankie auf dem Bett und schluckte ihre letzten Tränen hinunter, während sie über die ent setzliche Leere nachdachte, in die sie zurückgekehrt war. Das war alles so falsch - so grauenhaft falsch -, und sie wusste nicht, wie sie es richtig machen sollte. Clay glaubte ihr nicht, und obwohl er es behauptet
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