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Das Tattoo

Das Tattoo

Titel: Das Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Sala
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und
    zwang seinen verletzten Körper, sich zu entspannen, bis der Schmerz langsam nachließ. Schließlich atmete er tief ein und wie der aus. Das Schlimmste war vorüber.
    Nein, das Schlimmste war noch längst nicht vorüber, korri gierte er sich in Gedanken. Es fing erst an. Er konnte sich erst erholen, wenn er wusste, wo Francesca war. Dass er in dieser Hin sicht so im Dunkeln tappte, machte ihn verrückt. Es war einfach nicht fair. Sie gehörte zu ihm. Das hatte er fast vom ersten Mo ment, in dem er sie gesehen hatte, gewusst.
    Er wälzte sich unruhig herum und versuchte, die bequemste Lage zu finden.
    Die Augen fielen ihm zu und schließlich träumte er … von dem Tag, an dem Francesca Romano in sein Leben getreten war.
    Schon im zarten Alter von dreizehn Jahren hatte sich Pharaoh Carn damit abgefunden, dass man ihn nicht mochte. Genauer gesagt hatte er irgendwann angefangen, sich diese Tatsache zu nutze zu machen, indem er die anderen Kinder von Kitteridge House terrorisierte. Auf diese Weise war er zum unangefochte nen Meinungsführer aufgestiegen. Allerdings war es weniger sein Aussehen gewesen, das ihn zum Außenseiter gemacht hat te. In Neumexiko, wo viele amerikanische Ureinwohner lebten, war er mit seinem dunklen Teint und dem blauschwarzen Haar kaum aufgefallen. Das, was ihn von anderen unterschieden hat te, war sein Hass gewesen. Diesen Hass zu spüren, war wie ein Rausch gewesen. Und dieser Rausch seine Macht. Er war bös artig und grausam und stolz darauf gewesen, dass alle - ein schließlich der Lehrer - Angst vor ihm hatten. Zumindest bis sie in sein Leben trat.
    Er hatte gerade im Zimmer der Schulleiterin wieder einmal nachsitzen müssen, als eine Sozialarbeiterin mit einem kleinen
    Mädchen auf dem Arm hereinkam. Das Erste, was ihm an der Kleinen auffiel, war ihr Haar gewesen. Es war fast so schwarz ge wesen wie sein eigenes. Und das zweite die Tränen, die in ihren großen braunen, vor Angst geweiteten Augen gestanden hatten. Sie hatte mit der einen Hand einen Teddy und mit der anderen eine alte Decke umklammert. Ihre Schuhe waren ungeputzt, und die Schleife, die ihr irgendjemand ins Haar gebunden hatte, war aufgegangen und hing schlapp nach unten.
    Sie warf ihm einen forschenden Blick zu und schob sich einen Daumen in den Mund.
    Er starrte sie finster an.
    Nur prallte dieses finstere Starren gänzlich wirkungslos an ihr ab. Er spürte ihren Blick auf seinem Gesicht, während sie ihn mit unverhohlener Neugier musterte.
    Er starrte sie noch durchdringender an. Blödes kleines Ding. Er war in seinem Leben oft genug angeglotzt worden. Und er war nicht bereit, sich das bieten zu lassen, auch wenn sie noch so klein war.
    Aber sein wütender Gesichtsausdruck schien sie nicht im mindesten zu beeindrucken. Genauer gesagt nahm die Kleine, nachdem die Sozialarbeiterin sie abgesetzt hatte, den Daumen aus dem Mund, und ging, die alte Decke hinter sich herzerrend, auf ihn zu. Zu seinem größten Unbehagen trottete sie durch das ganze Zimmer, bis sie dicht vor dem kleinen Tisch stehen blieb, an dem er saß. Es war ihm unangenehm, dass sie ihn aus diesen gro ßen Augen anschaute, und zum ersten Mal seit langer Zeit wusste Pharaoh Carn nicht genau, wie er reagieren sollte.
    „Zieh Leine”, zischte er so leise, dass es die Erwachsenen nicht hörten.
    Sie zuckte nicht mit der Wimper.
    Er konnte nicht wissen, dass das Haar ihres Vaters ebenso
    blauschwarz gewesen war wie sein eigenes und die Haut ihrer Mutter so glatt und braun wie seine. Er sah hur, dass ihn das klei ne Mädchen, das eigentlich Angst vor ihm haben sollte, furchtlos anschaute.
    „Francesca, stör den Jungen nicht. Bitte komm her”, forderte sie die Sozialarbeiterin auf, aber die Kleine rührte sich nicht von der Stelle.
    Pharaoh sah die Frau aufstehen, und er konnte ihr ansehen, dass sie vorhatte, das Mädchen auszuschimpfen, weil sie sich wei gerte zu gehorchen. In diesem Moment brach sich ein bislang un bekannter Beschützerinstinkt in ihm Bahn.
    „Macht nichts”, brummte er. „Sie stört mich nicht.”
    Die Frau runzelte die Stirn, zuckte die Schultern und wandte sich wieder der Rektorin zu.
    „Wie alt bist du denn, Kleine?”
    Das Mädchen hielt vier Finger hoch.
    Pharaoh nickte, während er bei sich dachte, dass sie für ein Kind eigentlich ganz süß war. Und dieser Blick - er traf ihn trotz des Panzers, den er um sich herum errichtet hatte, mitten in sein Jungenherz.
    Sie schauten sich an, während Pharaoh nach einer weiteren Frage

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