Das Tattoo
früher.”
Nach diesen Worten packte sie Clay am Arm und zog ihn aus der Küche, den Flur hinunter.
„Was hast du vor?” fragte Clay.
„Du hast nach dem Geld gefragt.”
Ihm blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Was war, wenn sie es nur woanders hingelegt und er wie der letzte Idiot die fal schen Schlussfolgerungen gezogen hatte?
„Hör zu, Frankie, es tut mir Leid, wenn …”
Sie wirbelte herum, in ihren Augen standen Tränen. „Halt den Mund, Clay. Halt einfach nur den Mund.”
Wie ein begossener Pudel blieb er auf der Schwelle zum Schlafzimmer stehen. Als sie zum Schrank ging, folgte er ihr, ganz und gar unvorbereitet auf das, was sie ihm gleich darauf in die Hand drückte.
„Hier”, sagte sie. „Das habe ich gekauft, und da ist das restli che Geld.”
Angewidert von der Schusswaffe in seiner Hand, starrte er Frankie an, als ob ihr soeben Hörner gewachsen wären.
„Warum?”
Erst zitterte ihr Kinn, anschließend begann sie am ganzen Körper zu zittern.
„Weil ich Angst habe, Clay. Ich habe jede wache Minute Angst und sogar wenn ich schlafe. Und immer wenn ich denke, all es wird gut, blitzen in meiner Erinnerung Ausschnitte von Ges ichtern und Orten auf wie kleine hässliche Gespenster. Und dann habe ich das Gefühl zu ersticken.”
Clays Hände zitterten, als er Pistole und Geld weglegte. Er umfasste ihr Kinn und sagte in leise: „Warum hast du mir nicht erzählt, dass du anfängst, dich zu erinnern?”
Ihr ganzer Körper schien plötzlich in sich zusammenzusacken. »Weil ich das, was ich für einen Sekundenbruchteil sehe, nicht ein ordnen kann. Manchmal ist es nur ein Bild an der Wand oder ein Blick aus dem Fenster. Manchmal wache ich auf, weil ich mir ein bilde, dass die Erde bebt. Ich schrecke bei Geräuschen zusammen Und gelegentlich sogar bei einem bestimmten Geruch.” Schließlich begann sie zu weinen. „Ich habe das Gefühl, verrückt zu werden.”
Er nahm sie in die Arme, zog sie nah an sich heran und wiegte s ie sanft hin und her.
„Du wirst ganz bestimmt nicht verrückt”, murmelte er. „Und ich verspreche dir, nie wieder an dir zu zweifeln. Vertrau mir ein fach genug, um mir alles zu erzählen. Du musst mit dieser Sache nicht allein fertig werden. Irgendwie werden wir herausfinden, was passiert ist.”
„Aber wie?”
Clays Gesicht wurde hart. „Der Privatdetektiv. Ich hätte ihn schon längst anrufen sollen. Ich habe seine Nummer im Büro. Sobald ich in der Firma bin, rufe ich ihn an, ebenso wie Detective Dawson. Vielleicht hat er ja irgendwelche Neuigkei ten für uns.”
Frankie nickte, aber als Clay sich von ihr lösen wollte, hielt sie ihn fest.
„Komm mit”, forderte er sie sanft auf. „Jetzt ziehen wir dir erst mal was Wärmeres über, und anschließend kannst du mir beim Frühstück Gesellschaft leisten.”
„Ich komme mir wie ein kleines Kind vor”, murmelte sie, während er eine Jogginghose hervorkramte und ihr ein Sweat shirt von sich zuwarf.
Clays Blick wanderte zu der Pistole. „Verhalten tust du dich aber nicht so”, sagte er. „Kannst du mit dem Ding überhaupt schießen?”
Sie presste entschlossen die Kiefer aufeinander. „Ich bin gera de dabei, es zu lernen.”
„Du machst Witze.”
„Gar nicht. Ich nehme im Foothills Shooting Center in Lake wood Unterricht.”
Er musterte sie mit neu erwachtem Respekt. „Und es ist dir wirklich ernst damit, ja?”
„Todernst”, sagte sie und zog sich das Sweatshirt über den Kopf.
Es war fast Mittag, als es an der Haustür klingelte. Frankie legte das Küchenmesser weg, spülte sich den Tomatensaft von den Fingern und schnappte sich auf dem Weg zur Tür ein Handtuch. Durchs Fenster sah sie eine dunkelblaue Limousine am Bordstein parken. Als sie den Vorhang beiseite zog, erkannte sie freudig überrascht den mit ihrem Fall befassten Detective. Clay hatte versprochen, ihn anzurufen, und diese schnelle Reaktion weckte begründete Hoff nung, dass er gute Nachrichten hatte. Sie öffnete die Tür.
„Na so was, das ist ja eine Überraschung, Detective Daw son”, sagte sie. „Kommen Sie herein.”
Avery Dawson kam ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Diese Frau wirkte ganz anders als die, die er im Krankenhaus be fragt hatte. Ihre Haut glühte, und auf ihrem Gesicht lag ein Lä cheln. Sie trug lässige Kleidung, und in der Luft hing Essensduft. Sie sah nicht aus wie eine verzweifelte Frau, und doch hatte sie sich eine Pistole gekauft, weshalb sein Vorgesetzter erst ein paar Antworten von
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