Das Tattoo
meinem Fall auf irgendwelche neuen Spuren ge stoßen?”
Er dachte an den Anruf, an die Pistole und schüttelte den Kopf. „Nein, Ma’am. Der Taxifahrer, der Sie am Flughafen mitgenommen hat, war unsere letzte Spur.”
Sie nickte. „Schön, dann zücken Sie jetzt mal Ihr Notizbuch. Seit zwei Tagen erinnere ich mich nämlich an bestimmte Einzel heiten. Nichts, was irgendwelchen Sinn ergibt, aber immerhin Einzelheiten.”
Dawson kramte nach einem Stift, während Frankie auf- und abzugehen begann.
„Wo immer ich auch gewesen sein mag, auf jeden Fall gab es dort ein Erdbeben. Ich kann es zwar nicht beschwören, aber ich
glaube, aus diesem Grund ist mir die Flucht gelungen. Und alles war grün. Viel Gras und Bäume - sogar Palmen, wie in Kalifor nien”, fügte sie hinzu.
Dawsons Herz geriet ins Stolpern, als ihm der Anruf aus L.A. einfiel.
Anschließend verfiel sie für einen Moment in Schweigen, und die Lebhaftigkeit verschwand fast ganz aus ihren Gesichtszügen.
„Manchmal glaube ich fast, sein Gesicht vor mir zu sehen.”
Sie seufzte und ließ entmutigt die Schultern hängen, während sie Dawson einen kurzen Blick zuwarf. „Aber dann gelingt es mir doch wieder nicht. Ich sehe nur die Tätowierung auf seiner Brust.”
Dawson schaute überrascht. „Was für eine Tätowierung?”
Sie hob ihr Haar und drehte sich um. „So eine”, sagte sie. „Nur dass seine mitten auf seiner Brust ist.”
Dawson beugte sich vor, um das kleine eintätowierte Henkel kreuz genau zu betrachten.
„Wie lange haben Sie das schon?” erkundigte er sich.
Frankie drehte sich wieder um. „Das kann ich Ihnen nicht sa gen. Ich weiß nur, dass ich es vor meinem Verschwinden nicht hatte.”
Dawson schrieb die Informationen emsig in sein Notizbuch.
„Und einmal hatte ich den Eindruck, als ob meine Zimmer fenster vergittert gewesen wären. Ist es vorstellbar, dass ich im Gefängnis war?”
„Eher nicht. Davon abgesehen hätte ich einen Fahndungsbe fehl auf den Tisch bekommen, wenn Sie aus dem Gefängnis geflo hen wären.”
Sie entspannte sich ein bisschen. „Gut. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, warum ich dort hätte sein sollen, aber so fühle ich mich trotzdem besser.”
„Gibt es sonst noch irgendetwas? Ganz egal was? Selbst das unwichtigste Detail könnte ein wichtiger Schlüssel sein.”
Sie dachte so angestrengt nach, dass sich zwischen ihren Augenbrauen eine steile Falte bildete. Schließlich zuckte sie die Schultern.
„Soweit ich mich erinnern kann, nicht.”
Während er sein Notizbuch in seiner Jackentasche verstaute, entschied er, ihr nichts von dem Anruf aus L.A. zu sagen. Darü ber wollte er erst mit Clay reden. „Ich möchte mich jetzt verab schieden. Aber falls Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte, ru fen Sie mich bitte an.”
Sie nickte und begleitete ihn hinaus. Sie wollte ihm gerade die Haustür öffnen, als er seine Hand auf ihren Arm legte.
„Mrs. LeGrand, es gibt da noch etwas, was ich Ihnen sagen wollte.”
Sie wartete.
„Inoffiziell”, fügte er hinzu.
Sie nickte.
„Was auch immer geschehen ist, ich glaube Ihnen.”
Sie hätte fast gelächelt. „Was auch immer geschehen ist, dan ke.”
Gleich darauf war er weg, und Frankie blieb mit dem Ein druck zurück, dass ihre Welt undurchschaubarer war denn je. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, ihn nach der Lizenz zu fragen. Sie zuckte die Schultern. Es war egal, ob sie den Wisch hatte oder nicht. Sie hatte die Pistole. Und sie wusste, wie man damit umging.
10. KAPITEL
Auf der Suche nach dem Namen und der Telefonnummer des Detektivs, den er schon einmal engagiert hatte, blätterte Clay das Telefonverzeichnis auf seinem Schreibtisch durch. Zwei Minuten später hatte er die Nummer von Harold Borden gewählt. Er hör te das dumpfe Klingeln am anderen Ende, einmal, ein zweites Mal, unzählige Male. Clay wartete darauf, dass sich Bordens An rufbeantworter einschaltete, aber nichts passierte.
Es war länger als ein Jahr her, seit Clay mit dem Mann gesprochen hatte, und natürlich war es möglich, dass Borden nicht mehr als Privatdetektiv tätig war, obwohl die Vorstellung überra schend wäre. Borden war ihm immer wie einer jener Männer vor gekommen, die bis an ihr Lebensende arbeiten, statt irgendwann in ihrer Garage herumzuwerkeln oder ihre Zeit auf dem Golf platz totzuschlagen.
In dem Moment, in dem er auflegen wollte, wurde schließlich abgenommen. Clay hörte die kurzen keuchenden Atemstöße von jemandem,
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