Das Teehaus im Grünen
anmutig, daß viele gern einmal mit ihr ausgegangen wären. Seltsamerweise kam aber keiner über ein paar Komplimente und Scherzworte hinaus. Das ärgerte die jungen Leute. Lucy wunderte sich.
Was war mit Vicky los? Früher war sie doch einem harmlosen Abenteuer und einem lustigen Flirt nicht abgeneigt gewesen. Sie ließ sich gern anschwärmen und zeigte das auch. Sie war so lebhaft wie eh und je, sie sah sogar noch, bezaubernder aus; aber sie hielt stets auf einen gewissen Abstand. Nur in Anwesenheit von James Seymour gewann sie ihre alte herausfordernde Art zurück.
Ohne Zweifel übte dieser ernste und scheinbar kühle Mann eine starke Anziehung auf sie aus. Es würde da wohl noch einige Stürme geben. Seymour hatte seinerseits offensichtlich ebenfalls Gefallen an Vicky gefunden; er begegnete ihr manchmal gereizt, oft amüsiert, aber stets mit Interesse. War es möglich, daß sie einander herausforderten? Seymour hatte sich geschworen, allen Mädchen gegenüber gleichgültig zu bleiben; er kämpfte gegen seine Zuneigung an. Vicky war es gewohnt, daß ihr keiner widerstehen konnte. Es reizte sie, Seymour aus seiner Reserve hervorzulocken.
Seufzend ließ Lucy der Sache ihren Lauf. Sie mischte sich ungern in anderer Leute Angelegenheiten. Sie habe wahrhaftig keinen Grund, sich in solchen Dingen als Autorität aufzuspielen, sagte sie sich ironisch.
Da also Vicky unerreichbar schien, wandte sich der eine oder andere junge Mann dem ruhigen, dunkelhaarigen Mädchen zu. Auch sie war voller Anmut, und obgleich ihr die strahlende Schönheit fehlte, besaß sie doch viel Charme. Lucy ihrerseits nahm diese Avancen gelassen hin. Sie hatte viel mit Männern zu tun gehabt und verstand mit ihnen umzugehen. Es dauerte nicht lange, bis man sie zum Abendessen und einem anschließenden Kinobesuch in Homesward einlud.
Vicky war begeistert; sie fühlte, daß Lucy einem anderen nachtrauerte, und hoffte, daß sie nun von ihrem Kummer abgelenkt würde.
»Ich kann dich doch nicht einfach mit der ganzen Arbeit sitzen lassen! Das Essen für Mrs. Kelston und Mr. Seymour muß doch zubereitet und der Tea-Room aufgeräumt werden!«
»Unsinn! Für drei Leute zu kochen ist eine Kleinigkeit. Der gute James wird dich zwar vermissen, aber Mrs. Kelston kann ihm mit der Lebensgeschichte der Waldameisen die Zeit vertreiben.«
Lucy wollte eigentlich sagen: Du weißt ganz genau, daß Seymour in erster Linie um deinetwillen kommt. Aber sie schwieg. Sie war überzeugt, daß sich hier eine ernsthafte Angelegenheit entwickelte, und war fest entschlossen, sich nicht einzumischen. So ging sie also mit Roy Parson zum Essen und danach ins Kino. Und während der ganzen Zeit wünschte sie heimlich: Wenn doch Gordon neben mir säße!
Ich bin verrückt! schalt sie sich. Gordon ist verschwunden. Wahrscheinlich sehe ich ihn niemals wieder. Ich führe mich auf wie ein Kind, das den Mond zum Spielen haben möchte. Aber die Sehnsucht ließ sich nicht unterdrücken.
Roy Parson war ein beharrlicher Verehrer. Lucy gefiel ihm ausnehmend gut, und er war auf dem besten Wege, sich bis über beide Ohren in sie zu verlieben. Er ging mit ihr zum Tanzen, dann wieder ins Kino und wurde schließlich ein wenig zärtlich. Doch zu seiner Überraschung und Enttäuschung entzog sie sich ihm sanft und sagte: »Das hat keinen Sinn, Roy. Ich mag dich ganz gut leiden und gehe zur Abwechslung gern einmal mit dir aus, aber...«
»Was heißt aber? Bedeutet das, daß du einen anderen liebst?«
Zuerst wollte Lucy verneinen. Gordon gehörte der Vergangenheit an; es war töricht und erniedrigend, sich noch immer nach ihm zu sehnen. Im ganzen war es aber doch einfacher zu sagen: »Ja, aber er ist nicht hier.« Roy hatte zum Glück sein Herz noch nicht völlig verloren und meinte betrübt, doch resigniert: »Gut, das ist aber schließlich kein Grund, daß wir beide nicht gelegentlich ein bißchen miteinander ausgehen könnten, nicht wahr?«
»Freilich«, stimmte sie zu. Im Grunde wußte sie sehr wohl, daß er sie nun nicht mehr zum Essen und zum Tanzen einladen würde, und sie dachte mit Bedauern daran, daß der Tea-Room einen seiner treuesten Gäste verlieren würde. So war es auch; sobald Roy sich mit Anstand absetzen konnte, blieb er fort.
Danach versuchte ein anderer junger Mann, mit dem aparten Mädchen anzubandeln; wieder ohne Erfolg. Ein junger Farmer lud sie schüchtern ins Theater ein. Vicky bestand darauf, daß sie annahm.
»Es nützt nicht viel, mir die Männer aufzudrängen«,
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