Das Teehaus im Grünen
schlimmer.«
»Hast du etwa versucht, das Geld zusammenzukriegen, um es Seymour zurückzuzahlen?«
»Das mußte ich doch! Ich konnte nicht anders! Was sollte ich machen? Für mich ist Dan wie ein Bruder. Hätte ich ihn im Stich gelassen, wäre es mir wie ein Verrat an der Familie vorgekommen.«
»Dieses Gerede, Dan gehörte zu deiner Familie, habe ich satt. Deine Brüder würden sich auch nicht geschmeichelt fühlen... Deshalb also hast du die Eier an den Händler verkauft und den anderen Blödsinn gemacht?«
»Ja, und es war mir so schrecklich, weil ich dabei das Gefühl hatte, dein Geld für Dan zu verwenden.«
»Warum, zum Donner, hast du mich nicht darum gefragt?«
»Das wollte ich ja; aber ich bin doch so feige! Das war ich schon immer, und wenn du ärgerlich bist, habe ich Angst vor dir. Du bist dann so eiskalt und hart. Manchmal denke ich, es wäre besser, du würdest schimpfen wie mein Vater, obgleich ich vor dem auch schreckliche Angst hatte. Aber du wirst dann ganz still, und da komme ich mir erst recht erbärmlich vor.«
Sein Ausdruck wurde milder. Sie hatte recht. Schon immer war sie schüchtern und schreckhaft gewesen. Damals hatte er erkannt, daß es die Schuld ihres Vaters war. Gerade diese Schwäche hatte ihn seinerzeit so gerührt. Er wollte sie davon befreien, sie glücklich und zuversichtlich machen.
Versöhnlich fragte er: »Und wieviel konntest du von der Suppe auslöffeln, die sich dein Vetter eingebrockt hat?«
»Leider nicht viel. Ich hätte ja eigentlich Geld auf der Bank haben sollen, denn du warst stets so großzügig. Ich hatte aber nichts gespart. Es war so herrlich, das Geld, ohne zu überlegen, ausgeben zu können. Aber jetzt mußte ich Dan helfen, und nun kommt das Allerschlimmste.« Mit ihren dunklen, traurigen Augen sah sie ihn verzweifelt an.
»Also los! Jetzt erzähl mir in Gottes Namen alles!« rief er ungeduldig.
»Das will ich auch. Ich versuche es ja. Aber jetzt wirst du bestimmt wütend. Du weißt ja, daß ich nur auf eine Art Geld verdienen kann: mit Nähen. Mrs. Nairn bat mich, Annes Brautkleid zu nähen. Die Schneiderin war krank geworden, und die Hochzeit stand vor der Tür. Da hab ich’s gemacht.«
»Und man hat dich dafür bezahlt?«
»Ja. Es war eine Menge Geld, eine große Hilfe.«
»Und wie, zum Teufel, hast du das geschafft, ohne daß ich es merkte?«
»Ich habe immer fleißig genäht, wenn du nicht daheim warst. Und einmal hab ich die ganze Nacht durch genäht, als du bei der Auktion warst.«
Er erinnerte sich, wie elend sie damals bei seiner Rückkehr ausgesehen hatte, und sie tat ihm leid. Er erhob sich und ging auf sie zu. Sie stand noch immer mit dem Rücken zur Wand, als ob sie dort Hilfe fände.
»Aber warum, muß ich immer wieder fragen, warum bist du nicht einfach zu mir gekommen und hast mich gefragt? Meinst du denn, ich hätte dir deine Bitte abgelehnt?«
Sein Ton hatte sich verändert. Sie griff nach seiner Hand. »Ach, Jack, mir hättest du nichts abgeschlagen, das weiß ich! Aber es ging um Dan, und den kannst du nicht leiden. Du hast ihn nie gemocht.«
»Ist es dir nie eingefallen, daß ich wahnsinnig eifersüchtig auf ihn hätte sein können?«
Jetzt war es heraus! Einen kurzen Augenblick lang starrten sie einander an — dann lag sie in seinen Armen und sagte leise: »Eifersüchtig auf Dan? Ach, Liebster, wie dumm!«
»Aber er war so oft hier. Er kam möglichst, wenn ich nicht daheim war. Er sieht verteufelt gut aus, ist ebenso alt wie du und immer guter Dinge. Außerdem hattest du Heimweh.«
»Das war es ja! Ich vermißte meine Leute; sie fehlten mir sehr, und Dan war doch ein Teil der Familie. Aber dieses Gefühl habe ich jetzt nicht mehr. Ich wünschte, er ginge fort von hier, irgendwohin, so daß ich nicht mehr für ihn zu sorgen brauche und es zwischen dir und mir keine Mißverständnisse mehr geben kann.«
Auf Armeslänge hielt er sie von sich ab. »Meinst du das wirklich im Ernst?«
»Ja, bestimmt! Ich habe das so satt! Durch Dan wurde alles so schwierig, auch für Vicky.«
»Vicky? Was hat sie damit zu tun?«
Sie erzählte ihm alles und schloß: »Lucy war heute abend richtig böse auf mich. Sie fand, ich hätte Vickys Angebot nie annehmen dürfen. Ich hätte wissen müssen, daß sie mir damit ein Opfer brachte.«
»Ich glaube gern, daß es eine harte Sache für sie war. Seymour kann man schwer um etwas bitten. Sie hat ihn wohl sehr verärgert?«
»Wahrscheinlich. Lucy hat sich nicht näher geäußert. Sie meint
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