Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
übertönte.
Scherrmann hob bedauernd die Schultern und machte den Polizisten mit Zeichen
klar, dass er nachher draußen auf sie warten würde.
Büttner und Hasenkrug hatten die
Kirche gerade wieder verlassen, als der Pastor sie betrat, gefolgt von Fenna
Krayenborg, ihren zwei Töchtern Kirsten und Deike sowie Sohn Immo. Diese hatten
keinerlei Anhang dabei, weder Ehepartner noch Kinder oder Enkel. Mit dem
Patriarchen Lübbo hatten sie alle aus irgendeinem Grund auf Kriegsfuß
gestanden, wie man hörte, und schienen das auch nicht ändern zu wollen, bevor
er für immer einen Meter achtzig tief in der Erde verschwand.
Auch die kleine Prozession blieb
kurz vor dem Sarg stehen, dann setzten sich Fenna und ihre Kinder in die erste
Bankreihe, während der Pastor die paar Stufen zur Kanzel hinaufstieg. Während
die Glocken leiser wurden und das Orgelspiel einsetzte, ließ der Pastor den
Blick über seine Schäfchen schweifen. Die meisten der Anwesenden senkten die
Köpfe, wenn er ihrem Blick begegnete, als hätten sie ein schlechtes Gewissen,
weil sie zum letzten Mal am Heiligabend in der Kirche gewesen waren – wenn
überhaupt.
Jan Scherrmann war gespannt, was
der Pastor über Lübbo und sein so abrupt beendetes Leben sagen würde, ohne
irgendwem dabei auf den Schlips zu treten. Würde ihm das gelingen, käme es
praktisch einer Quadratur des Kreises gleich. Aber der Pastor war geschickt und
tappte nicht gleich in die Falle hinein, die unweigerlich auf ihn lauerte. Denn
er begann mit den Worten: Lasset uns beten!
Dann aber war es soweit und der
Mann in Schwarz, das musste Scherrmann anerkennen, stellte sich gar nicht so
ungeschickt an. Es gelang ihm, die einundachtzig Lebensjahre des Toten in so
viele Adjektive zu hüllen, dass irgendwie ein jeder der Anwesenden seinen
ureigenen Lübbo darin wieder finden musste. Respekt, dachte Scherrmann, er
musste intensiv recherchiert oder aber den Toten sehr lange und gut gekannt
haben! Später erfuhr er, dass Letzteres der Fall war. Lübbo Krayenborg war sein
Cousin gewesen, wenn auch ein deutlich älterer.
Während dem Pastor im Innern der
Kirche ein wahres rhetorisches Kunststück gelang, beobachteten Büttner und
Hasenkrug die Trauergäste, die keinen Platz mehr in der Kirche gefunden hatten
und nun draußen im strömenden Regen die Trauerandacht über einen Lautsprecher
verfolgten. Oder vielmehr nicht verfolgten, denn eigentlich unterhielten sie
sich eher angelegentlich über die Verhaftung von Luise Alberts. Dabei warfen
sie den beiden Kommissaren immer wieder verstohlene Blicke zu. Aus einzelnen
Bruchstücken der Unterhaltungen, die Büttner aufschnappte, meinte er vernehmen
zu können, dass man allgemein der Auffassung war, die Polizei habe viel zu
langsam reagiert und damit versäumt, den Mord an Johann Schepker zu verhindern.
Schließlich sei allen anderen ja sofort nach Lübbos Tod klar gewesen, dass die
junge Tierärztin sich höchst verdächtig benommen habe. Die Polizei aber sei wie
immer von Blindheit geschlagen gewesen. Gott sei Dank sei der Schrecken ja nun
vorbei und man könne getrost zur Tagesordnung übergehen und bräuchte keine
Angst mehr davor zu haben, womöglich selbst noch zum Opfer der Psychopathin zu
werden.
Am Tag zuvor hatten Büttner und
Hasenkrug endlich Gelegenheit gehabt, mit Gustav Grensemann und Rudolf Lampe zu
sprechen. Die Befragung der Herren vom Stammtisch hatten den Zweifel, der nach wie vor in Büttners Brust nagte, noch genährt. Schon bei
der Verhaftung von Luise Alberts hatte ihm sein Bauchgefühl gesagt, dass der
Fall damit nicht abgeschlossen sein würde. Natürlich deutete zurzeit alles
darauf hin, dass die Tierärztin die Morde begangen hatte, um endlich der
Erpressung durch Lübbo Krayenborg und seinem Vasallen zu entkommen. Die
Tatwaffe im Fall Schepker gehörte ihr, sie hatte sich zu den jeweiligen
Tatzeiten in Canhusen aufgehalten und sie hatte ein Motiv. Außerdem war ihr
Mann Apotheker und sie hatte somit womöglich Zugang zu dem Gift, mit dem Lübbo
Krayenborg getötet worden war.
Aber trotzdem, Büttner war nicht
zufrieden. Zum einen traute er der jungen Frau die Morde nicht zu. Zum anderen
aber, und das schien ihm viel wichtiger zu sein, hatten Gustav Grensemann und
Rudolf Lampe bei der Frage nach dem alten Schwarzweißfoto wieder so seltsam
reagiert. Auch sie waren zunächst blass geworden, als sie das Foto zu sehen
bekamen. Dann aber hatten sie sofort verkündet, das sei eine Sache zwischen
Lübbo und Fenna gewesen,
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