Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
es eine ganze Weile, bis sich die Polizisten
den Weg zum Grab freigekämpft hatten, an dem jetzt anscheinend ein jeder der
Trauergäste einen Logenplatz einnehmen wollte.
„Was ist passiert?“, keuchte
Büttner, als er schließlich neben dem Pastor stand und sich den Regen aus dem
Gesicht wischte. In dem Gerangel hatte er seinen Hut verloren und er spürte,
wie sich ein dünner Rinnsal kalten Wassers seinen
Nacken hinunter bis zum Rücken vorarbeitete. Unwillkürlich durchlief ihn ein
Schaudern, und er schlug seinen Mantelkragen hoch, obwohl es draußen trotz des
Regens noch recht warm war.
Der Pastor sagte keine Wort, sondern zeigte nur mit einem erschütterten
Gesichtsausdruck und zitternden Fingern in das Grab hinab. Büttner warf einen
prüfenden Blick hinein – und spürte im nächsten Moment, wie ihm eine Gänsehaut
über den Körper lief. In dem Grab hatte sich in den letzten Stunden soviel
Wasser gesammelt, dass der alte Lübbo Krayenborg unweigerlich darin ersoffen
wäre, wäre er nicht ohnehin schon tot gewesen. Was Büttner jedoch das Blut in
den Adern gefrieren ließ war die Tatsache, dass aus dem schlammigen Wasser eine
verkrampfte Hand herausragte. Es sah aus, als wolle sie um Hilfe bitten, aber
dafür, dachte Büttner bitter, durfte es wohl definitiv zu spät sein.
14
Es dauerte nicht lange, bis die
Spurensicherung vor Ort war, um ihre Arbeit aufzunehmen. Nach dem Regen aber,
das war Büttner sofort klar, würde es einem Wunder gleichkommen, wenn überhaupt
noch etwas sichergestellt werden konnte. Ein noch größeres Wunder aber war es,
dass es drei hinzugestoßenen Polizisten schließlich doch noch gelang, die Menge
Schaulustiger hinter die Absperrung, die in aller Eile errichtet worden war,
zurückzudrängen. Die Menschen wollten verständlicherweise unbedingt wissen, wen
es diesmal erwischt hatte. Auch wurden schon die ersten Vermutungen laut,
nachdem man sich umgeschaut und festgestellt hatte, wer aus dem Dorf sich
offensichtlich nicht bei der Beerdigung hatte blicken lassen. Büttner war es
abwechselnd heiß und kalt geworden, als er schließlich selbst darauf gekommen war,
um wen es sich bei dem dritten Opfer handeln musste. Mit starrem Blick
verfolgte er die Bergungsarbeiten. Zwei Mitarbeiter der Spurensicherung hatten
sich Gummistiefel übergezogen und sich ins kühle Nass des Grabes hinab begeben.
Zwei weitere warteten oben darauf, die Leiche entgegennehmen zu können. Beinahe
wäre es schon beim ersten Versuch gelungen, den glitschigen Körper nach oben zu
reichen, im letzten Moment aber rutschte er einem der Männer aus der Hand und
fiel mit einem lauten Platsch ins schlammige Loch zurück. „Sorry“, murmelte der
Unglückswurm und lief rot an. Beim zweiten Versuch aber klappte es und die
Leiche lag wenige Augenblicke später vor Büttners Füßen. Sie war nackt.
„Gustav Grensemann“, murmelte
Büttner, nachdem man dem Toten den Schlamm aus dem Gesicht gewischt hatte.
Schon wieder einer der Alten vom Stammtisch.
„Ist er ertrunken?“, fragte
Hasenkrug und wurde im nächsten Moment von seinem Chef angeschaut, als wäre er
grenzdebil.
„Sie meinen, er wollte hier ein
Schlammbad nehmen und hatte dummerweise die Tiefe des Lochs unterschätzt?“,
bemerkte Büttner zynisch.
„Ich ... meine ja nur“, stammelte
Hasenkrug und fuhr sich verlegen durch das klatschnasse Haar.
„Er wurde vermutlich erschlagen“,
meldete sich die Gerichtsmedizinerin zu Wort und hob den Kopf der Leiche leicht
an, so dass die Polizisten einen Blick auf die Wunde am Hinterkopf werfen
konnten. „Irgendein scharfer Gegenstand hat ihm den Schädel gespalten. Ich
schätze, wenn wir unten im Wasser noch mal wühlen würden, dann würden wir auch
auf Gehirnmasse stoßen.“
Aus Hasenkrugs Richtung war ein
leises Würgen zu hören, während Büttner sich über den Toten beugte und sich die
Wunde aus der Nähe ansah.
„Ist aber auch gut möglich, dass
er an einem anderen Ort zu Tode kam und hier abgeladen wurde“, fuhr Dr. Anja
Wilkens fort. „Noch ein paar Zentimeter Regen mehr oder eine andere
Körperhaltung des Toten und er hätte sich in stiller Eintracht mit Lübbo
Krayenborg dessen letzte Ruhestätte geteilt. Vielleicht hat der Mörder darauf
gehofft, ihn auf diese Weise unauffällig verschwinden lassen zu können.“
„Wie lange ist er schon tot?“
„Schwer zu sagen. Muss irgendwann
in der Nacht passiert sein, schätze ich, spätestens am frühen Morgen. Ich gebe
Ihnen Bescheid, sobald ich
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