Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
niederländische Wetterbericht, der für das anstehende Wetter in
Ostfriesland in der Regel deutlich verlässlichere Angaben machte als der des Deutschen
Wetterdienstes, ließ in seiner Prognose für die anstehende zweite
Septemberhälfte durchblicken, dass an der Ankunft der stürmischen und
regnerischen Jahreszeit nun wohl kein Weg mehr vorbei führte. Also hatte die
Tierärztin sich vorgenommen, in ihren vier freien Tagen, auf die sie sich nach
wirklich anstrengenden und arbeitsreichen Wochen schon seit langem gefreut
hatte, ihr Gehöft schon mal in Ansätzen winterfest zu machen. Doch gerade, als
sie mit einer Aluleiter unter dem Arm aus dem Schuppen trat, fuhr ein roter
Kleinwagen auf den Hof. Sie runzelte die Stirn, seufzte aber erleichtert auf,
als sie erkannte, dass es sich bei der Besitzerin des Wagens um ihre Freundin
Deike und nicht um einen tierärztlichen Notfall handelte.
„Deike, das ist aber eine
Überraschung!“, rief sie ihrer Freundin lächelnd zu, während sie die Leiter
rasch an der Schuppenwand abstellte. „Ich stelle fest, dass du ein wenig fertig
aussiehst“, sagte sie, als sie schließlich voreinander standen und sich
umarmten. „Ich nehme an, dass du gerne eine Tasse Tee möchtest?“, fügte sie mit
prüfendem Blick hinzu und hielt Deike auf Armeslänge von sich.
„Lieber einen Schnaps“, sagte
Deike gepresst, und erneut traten ihr Tränen in die Augen.
„Was ist los?“, fragte Luise
besorgt. „Komm, lass uns ins Haus gehen, dann kannst du mir alles erzählen.
„Was hattest du denn gerade
vor?“, ging Deike nicht auf das Angebot ein, sondern nickte in Richtung Leiter
hinüber. „Ich will dich nicht von der Arbeit abhalten.“
„Ach was, ich wollte nur gerade
anfangen, dem Holzschuppen einen wetterfesten Anstrich zu verpassen. In der
nächsten Woche soll es vorbei sein mit dem Sommer, sagen die Holländer. Aber da
kommt es auf ein paar Stunden früher oder später ja nicht an.“
„Streichen?“ Deike schaute sich
den besagten Holzschuppen von oben bis unten an und fragte dann einer spontanen
Eingebung folgend: „Hast du vielleicht noch einen Pinsel für mich?“
„Du willst mir helfen?“, fragte
Luise perplex.
„Ja, ist ne prima Sache, um mich abzureagieren.
Wenn ich heute schon nicht zur Arbeit gehe, kann ich mich ja hier ein wenig
nützlich machen. Zuhause würde ich wahrscheinlich verrückt werden.“
„Na, da bin ich aber gespannt.
Klingt ja alles nicht so gut.“
„Das kannst du laut sagen.“
Nur wenig später stand Luise
Alberts auf der Leiter und begann die obere Hälfte des Schuppens zu streichen,
während Deike ihr von unten entgegenarbeitete.
„Also, was ist los?“, fragte
Luise schließlich, nachdem Deike keine Anstalten machte, von sich aus zu berichten,
was ihr auf dem Herzen lag.
„Es ist ...“, Deike stockte.
„Ach, Luise, ich weiß gar nicht so recht, wie ich anfangen soll, denn gerade
dir gegenüber ist mir die Sache wirklich unangenehm.“
„Mensch, Deike, schieß endlich los, ich werde es schon verkraften.“
„Na gut, also ... meine Mutter
hat meinen Vater umgebracht.“
„Wow“, sagte Luise im ersten
Moment nur und ließ zuerst den Pinsel in den Eimer und dann sich selber auf den
oberen Tritt der Leiter sinken. „Das ist ja nun wirklich mal ... oh Gott,
Deike, wie furchtbar!“
„Ja“, sagte Deike weinerlich,
„ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut, dass du tagelang unter
Tatverdacht im Gefängnis saßest, während meine Mutter ...“
„Ach was“, winkte Deike ab„das
ist doch nun egal. Hab ich schon längst verdaut. Aber deine arme Mutter ... was
passiert denn jetzt mit ihr und ... wie kam es jetzt eigentlich dazu? Hat die
Polizei sie etwa verhaftet? Und was ist mit den anderen Morden?“ Sie schüttelte
fassungslos den Kopf.
„Also, es fing damit an, dass ich
in der letzten Nacht so gegen drei Uhr einen Anruf bekam. Als ich die Nummer
meiner Mutter sah, dachte ich natürlich zunächst, dass ihr etwas zugestoßen
war. Ich war richtig erleichtert, als ich ihre Stimme hörte, auch wenn diese
ziemlich fertig klang. Sie hat mir gesagt, dass ich sofort kommen soll, wollte
am Telefon aber nicht sagen, worum es geht. Gott sei Dank war ich nicht in
Oldenburg, sondern hatte die Nacht hier in der Nähe verbracht ...“
„Hört, hört, doch nicht etwa bei
deinem neuen Lover?“, flötete Luise und zwinkerte ihr zu.
„Also, ich bin dann gleich zu ihr
gefahren“, ignorierte Deike den Einwand ihrer Freundin.
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