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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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erzählt?«
    »Was denn?«
    »Das mit Dad.«
    Sie schüttelte den Kopf. Dabei hatte Mum sie doch am Vorabend besucht! Ich erzählte ihr von dem Streit und dass Dad aus dem Haus gestürmt sei.
    »Ach, Jess, das tut mir leid …« Sie kam zu mir und nahm mich in die Arme, und da war es aus mit meiner Selbstbeherrschung; ich brach in Tränen aus. Sie war so freundlich, und das brachte mich zum Weinen. »Es wird bestimmt alles wieder gut«, sagte sie. »Das renkt sich wieder ein.«
    Ich erzählte ihr, dass Dad nicht wieder aufgetaucht sei und dass wir seitdem nichts von ihm gehört hätten.
    »Der kommt schon wieder. Lass ihm Zeit, seine Wunden zu lecken. Er ist schuld, Jess, er wird sich nicht aus dem Staub machen.«
    »Aber ich weiß nicht, was jetzt werden soll!«
    Sie lachte mich freundlich aus. »Sieh mal, Cath und Joe waren schon einmal zusammen hier. Das war, als sie dahintergekommen war, dass er eine Affäre hatte. Nein, Jess, sieh mich nicht so an, das ist schon lange her. Sie haben schwere Krisen, und dann küssen und versöhnen sie sich wieder. In einem Monat hat sich alles wieder normalisiert.«
    »Weshalb haben sie geheiratet, wenn sie solche Sachen machen?«
    »Sie sind jetzt seit siebzehn Jahren zusammen. Glaubst du, da würden sie jetzt auseinandergehen?«
    »Ich wünschte, sie würden sich trennen. Das wäre ehrlicher.«
    »Nein, das wünschst du dir nicht. Wenn sie sich trennen würden, müsstest du an zwei Orten wohnen, das wäre schrecklich unbequem. Du musst das im richtigen Verhältnis sehen. Sie sind doch nur deine Eltern!«
    Es war schwer, sie nicht ernst zu nehmen, während das schweigende Handy ein Loch in meine Hosentasche brannte. »Ich habe das Gefühl, Dad ist sauer auf mich. Ich denke, er glaubt, ich hätte Bescheid gewusst …« Ich sah sie an, doch sie schwieg. »Du hast es gewusst, nicht wahr?«
    »Jess, es geht hier um Cath und Joe. Niemand sonst ist verantwortlich, und niemand sonst braucht sich schuldig zu fühlen.«
    Ich putzte mir die Nase und packte den Aprikosenkaugummi aus, den sie mir gegeben hatte. Sie merkte sich immer, was ich gerne mochte. Schluss mit den Kindereien; sie hatte recht. Sie waren nur meine Eltern, und nur weil sie ein großes Durcheinander angerichtet hatten, hieß das nicht, dass ich mich davon runterziehen lassen musste.
    »Findest du, ich sollte sie einfach nicht beachten?«
    »Genau das. Stell dir vor, du hättest es mit zankenden Kindern zu tun – sie werden sich schon wieder vertragen. Gibt es nicht wichtigere Dinge, mit denen du dich beschäftigen solltest?«
    Ich biss mir auf die Zunge. Wie kam sie darauf? Ich schmeckte Blut. Schließlich nickte ich.
    »Na bitte. Konzentrier dich auf dich selbst. Im Teenageralter sollten die Eltern in den Hintergrund treten – immer für dich da sein, wenn du sie brauchst, dich unterstützen, aber nicht im Mittelpunkt stehen – nicht ums Scheinwerferlicht buhlen. Und das war das Wort zum Sonntag!«
    Sie wusste Bescheid. Weil sie sich selbst so sehr ein Baby wünschte. Wir saßen da und grinsten einander an, dann sah Mandy auf die Uhr. »Jess, du musst jetzt gehen, ich muss mich fertig machen.«
    »Wer ist denn der Glückliche?«, fragte ich.
    »Oh, es ist kein Mann – wie kommst du denn darauf? Ich gehe zu einer Versammlung, ich muss zu einer Versammlung gehen.« Sie geleitete mich aus der Küche. Es war immer ein kleiner Schock, aus ihrer Wohnung mit den hellen Farben in den schäbigen Flur zu treten. Die Mieter auf den unteren Etagen hatten braune Türen, die streifige Farbe sollte wie Holzmaserung aussehen.
    »Worum geht es denn?«
    »Das erzähle ich dir später, Jess, okay?« Sie öffnete bereits die Tür. »Du wirst es als Erste erfahren. Aber bitte sag Cath nicht, dass du mich heute getroffen hast.«
    »Das werd ich nicht. Und erzähl du ihr auch nichts – du weißt schon, was ich meine.«
    Mandy nickte. Sie küsste mich flüchtig auf beide Wangen und schloss hinter mir gleich die Tür, als hätte sie Angst, von der Straße könnte etwas ins Haus eindringen.
    Als ich losging, begegnete mir ein Mann, der Hallo zu mir sagte. Es war Paul, der Pfleger, den Mum eingestellt hatte, damit er sich um Mandy kümmerte. Sein Haar war feucht, und er hatte es sich zurückgekämmt. Offenbar hatte er es gerade erst gewaschen, und er sah ein wenig aus wie ein freundlicher Seehund. Da wird sie sich aber ärgern, dachte ich. Eine weitere Störung! Ich drehte mich um, denn ich wollte wissen, ob sie ihn einlassen würde. Er ging

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