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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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soll eine Schwester fragen. Ich hab nichts dagegen, wenn man ihr ein iPod auf den Bauch klebt.«
    »Genau das sind die Mädchen, verstehst du«, sagte Dad zu mir. »Ein Bauch.«
    Ich wollte mich von ihm keiner Gehirnwäsche unterziehen lassen. Ich sagte, ich müsse wieder ins College. Er folgte mir über den Flur bis zum Personalausgang. »Es gibt eine Menge, was du an der ganzen Sache nicht verstehst, Jessie. Das ist weder ein guter Zeitpunkt noch der Ort, aber …«
    »Okay. Tschüss, Dad.«
    »Lass uns am Samstag zusammen wandern.«
    »Ist gut.« Ich überquerte die matschige kleine Straße und nahm den Weg, der zwischen den geparkten Autos hindurchführte. Ich winkte ihm. Er stand noch da in seinem weißen Kittel und hielt die Flügeltür auf. Er wirkte ein bisschen bemitleidenswert. Eigentlich hätte ich froh darüber sein sollen, dass er mit mir reden wollte. Wenigstens nahm er mich jetzt ernst.

20
    Samstagvormittag packte Dad einen Rucksack mit Snacks und einer Thermoskanne Kakao, wie es bei uns üblich war, wenn wir wandern gingen. »Ich fahre aber nicht mit dem Wagen«, sagte ich.
    »Wie zum Teufel sollen wir dann zu den Dovestones kommen?«
    »Mit dem Bus nach Greenfield, dann weiter zu Fuß.«
    Dad rollte mit den Augen. »Dann werden wir an Unterkühlung sterben, bevor wir überhaupt da sind.«
    »Du hörst mir einfach nie zu, oder? Die Menschheit muss aufhören, Öl zu verschwenden.«
    »Ja, ja, ja, ja«, sagte er. »Wir müssen wieder in Hütten rumhocken und im Schein eines qualmenden Feuers Wurzelgemüse knabbern. Und nie weiter reisen, als unsere Füße uns tragen.«
    »Ha, ha.«
    »So lautet doch eure Empfehlung, hab ich recht? Wir sollen zurück ins Mittelalter. Hast du einen Busfahrplan?«
    »Den gibt’s online.«
    »Ts, ts. Stromverschwender!« Er grinste.
    Ich zog mir gerade zwei Paar dicke Socken an, als er mich ins Gästezimmer rief. »Schau mal, kluges Kind.« Der nächste Bus kam um 12.15 Uhr, in zweieinhalb Stunden. »Steig zu mir in den Wagen, und ich verspreche dir, dass ich in der kommenden Woche zum Ausgleich an einem Tag mit dem Bus zur Arbeit fahren werde.«
    »Das wäre gemogelt.«
    »An zwei Tagen. Versprochen. Heute Abend muss ich zu Mandy gehen, damit deine Mum sich mal ausruhen kann.«
    »Habt ihr euch wieder versöhnt?«
    »Ja.«
    »Du machst dich nicht wieder aus dem Staub?«
    »Nein, Schatz. Die Dummheiten, die wir angestellt haben, reichen für eine Weile.«
    Schön, dass auch ich das erfahre, dachte ich. Aber ich sagte nichts. Die Sonne schien, und er hatte gute Laune. Ich wollte mich nicht streiten. Als wir am Pike vorbeifuhren, funkelten die schneebedeckten Felder in der Sonne, dass es einen blendete. Und am Dovestones-Staubecken war das Moor unter einer Schneeschicht verborgen, alle Konturen waren sanft und abgerundet, und die Tannenäste waren an der dem Wind zugewandten Seite von großen weißen Klumpen beschwert. »So viel Schnee habe ich hier oben noch nicht gesehen«, sagte mein Dad. Er war auf den am höchsten gelegenen Parkplatz eingebogen, hatte dann aber aus Angst, im Schnee stecken zu bleiben, zurückgesetzt und den Wagen am Straßenrand abgestellt. Als wir ausstiegen, atmeten wir die eiskalte Luft ein, die ebenso schneidend war wie das Licht.
    »Vielleicht sehen wir ja einen Eisvogel«, scherzte ich.
    Dad lachte. »Der blaueste Vogel im ganzen Land.«
    »Prächtiger als ein Pfau?«
    »Viel prächtiger als ein Pfau.« Wir setzten unsere Mützen auf, zogen die Handschuhe an und gingen über die Treppe in den kleinen Wald. Die Treppe führte von der Höhe der Baumwipfel hinab zu den Wurzeln und Stämmen, wobei man sich vorkam, als ob man schrumpf te. Die untere Seite wird von einer hohen Steinmauer begrenzt, und man gelangt nur durch das Drehkreuz wieder hinaus. Wenn man sich auf dem Gelände befindet, fühlt man sich deshalb sicher und vom Rest der Welt abgeschlossen. Als ich klein war, haben Dad und ich dort Verstecken gespielt. Er schloss die Augen und zählte bis hundert, und ich kletterte über herabgefallene Äste hinweg und versteckte mich hinter einem dicken Baumstamm. Aus der Deckung hervor beobachtete ich, wie er in die falsche Richtung losmarschierte. Ich schnupperte das Harz und den modrigen Pilzgeruch an meiner Wange und spürte die kratzigen kleinen Nadeln, die in meine Turnschuhe geraten waren und mich piksten.
    »Weißt du noch, wie wir Verstecken gespielt haben?«, fragte ich.
    »Ich hatte immer Angst, du könntest dich verirren.«
    »Das

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