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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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Belagerung. Ich checkte mein Handy, hatte aber keine neuen Nachrichten.
    Auf dem Bildschirm hielt ich Ausschau nach Baz, Sal oder Nat. Die Nachrichten wurden für eine Ansprache des Premierministers unterbrochen, der Forschungseinrichtungen und Krankenhäusern, die sich mit künstlicher Befruchtung befassten, zusätzlichen Schutz zusagte. Da wurde mir klar, dass dies der Grund war, weshalb Dad heute Morgen zur Arbeit hatte fahren müssen. In allen Schwangerschaftskliniken und auf den entsprechenden Stationen galt Sicherheitsalarm – überall, wo Schlafende Schöne behandelt oder Eizellen von Spenderinnen eingesammelt wurden.
    Ich wusste nicht so recht, von wem die Bedrohung eigentlich ausging, von den FLAME -Frauen oder den Eispenderinnen. In den Nachrichten wurde spekuliert, dahinter könnten die Leute stecken, die für MTS verantwortlich seien. Demnach fand der Kampf zwischen denen statt, die verhindern wollten, dass Frauen Kinder bekamen, und denen, die eben dies sicherstellen wollten; zwischen Menschen, die dagegen waren, Tiere dazu zu benutzen, das Weiterbestehen der Menschheit zu gewährleisten, und denen, die dagegen waren, dazu Frauen zu benutzen.
    Die Noahs und die ALF und die Eizellenspenderinnen kämpften gemeinsam gegen die Tierforschungslabore und die Frauen von FLAME . Aber wenn die MTS -Terroristen tatsächlich noch aktiv waren, weshalb sollten sie sich dann auf den Straßen in Gefahr bringen, wenn sie womöglich in der Lage waren, das im ganzen Rest der Menschheit schlafende Virus zu aktivieren? Dad behauptete seit einer Ewigkeit, sie könnten uns jederzeit erpressen. Falls es sie wirklich gibt und falls sie die Kontrolle haben über das, was sie getan haben. Aber er hat auch gemeint, das sei unwahrscheinlich, und es handele sich vermutlich um einen Einzeltäter, dem die Folgen seines Tuns überhaupt nicht klar gewesen seien.
    Mein Handy klingelte. Rosa. Sie kam mir im Moment ungelegen. Sie hatte ihr Beratungsgespräch gehabt und war in Hochstimmung. »Meine Mum lässt ein Video drehen, um mich in Erinnerung zu behalten und es später dem Kind zu zeigen. Ich werde an all meinen Lieblingsorten gefilmt, zum Beispiel in dem hübschen Restaurant, wo wir immer hingehen, und im Sportwagen meines Freundes und in dem großen Schaukelstuhl auf der Veranda, umgeben von Rosen- und Apfelblüten.«
    »Das ist schön«, sagte ich. Dass Rosen und Apfelbäume noch nicht blühten, ließ ich unerwähnt. Aber die Blüten konnte sie sich vermutlich im Blumengeschäft besorgen. Wenn es überhaupt stimmte.
    »Im Moment wähle ich die Musik aus«, sagte sie. »Ich lasse alle meine Lieblingssongs spielen.«
    »Gut«, sagte ich. »Toll.« Ich sah weiter fern. Wenn ich das Gerät ausschaltete, würde mir Mandy in den Sinn kommen, ein gewaltiges Lärmen, für das mein Kopf zu klein war.

23
    Irgendwann am Nachmittag wurde leise an die Haustür geklopft. Ich schlich mich in die Diele und starrte wie gelähmt auf die Tür. Wieder wurde geklopft, in einem speziellen Rhythmus, und da wusste ich, dass es nicht Iain war. Ich rannte zur Haustür und riss sie auf. Baz grinste auf mich herab. Er war so dick angezogen, dass er beinahe fett wirkte. Dicker roter Vliesstoff quoll aus seinem Mantelkragen, und er hatte sich eine grüne Wollmütze über die Ohren gezogen, unter der schwarze Haarsträhnen hervorlugten. Die Hose hatte er wie ein Kosak in die gefütterten Stiefel gestopft. »Hallo«, sagte er und grinste wie verrückt, als wüssten wir beide, dass es ein Scherz war. Ich machte ihm Platz, doch irgendwie stießen wir trotzdem zusammen. Er legte mir die Hände auf die Schultern, um mich zu stützen, und wir schafften es, die Tür zu schließen. Dann umarmten wir uns fest. Sein Mantel fühlte sich kratzig an. Ich schnupperte den Geruch von Kälte, Rauch und Wolle und die unter den Stoffschichten verborgene Körperwärme.
    Als wir uns unbeholfen voneinander lösten, sagte er: »Ich sterbe vor Hunger.« Ich geleitete ihn in die Küche und machte Rührei. Es war noch immer kein Brot da, deshalb tat ich Knäckebrot auf den Teller. Er legte den Mantel und die Vliesjacke ab, dann zog er die Stiefel aus und trommelte mit den Fingern auf den Küchentisch.
    »Bist du gerade erst zurückgekommen?«
    Er nickte.
    »Warst du in dem Labor in Wettenhall?«
    »Nein. Josh – der den Film gedreht hat – und Nat waren in einem Studentenwohnheim, und ich hab mich ihnen angeschlossen. Sie wollten nichts weiter, als den Film schneiden und ins Netz

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