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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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zu. Wie die Presse das Thema handhabt, ist scheiße – der gönnerhafte Umgang mit den Freiwilligen, die Beleidigungen gegen Mädchen, die unglaublich tapfer sind. Wenn wir uns um deine Publicity kümmern, kann ich dir garantieren, dass die Menschen deine Beweggründe verstehen werden; dass du ein politisch denkender Mensch bist und eine verantwortungsvolle Entscheidung getroffen hast.«
    »Aber ich brauche keine Publicity.«
    »Jessie, die wirst du bekommen, ob du’s willst oder nicht. Willst du, dass sie dir Worte in den Mund legen und dich als leichtsinniges junges Dummchen darstellen, das nicht weiß, was es tut? Oder sollen alle erfahren, dass du dich aus ernsthafter Sorge um die Zukunft zu diesem uneigennützigen Schritt entschlossen hast?«
    »Aber warum möchtest du, dass YOFI …«
    »Wir könnten die Wirkung deiner Handlung verzehnfachen, verhundertfachen – begreifst du das nicht? Man wird nicht nur deine Beweggründe verstehen und achten, sondern du wirst Tausenden anderen jungen Menschen, die die Welt verändern wollen, ein leuchtendes Vorbild sein. Mit dir als Galionsfigur würden wir uns New World aus einer Position der Stärke heraus anschließen. Die Mitglieder müssen das Gefühl haben, sie hätten die Macht, etwas zu bewirken. Andere Mädchen werden sich freiwillig melden. Du wirst ihr Vorbild sein!«
    Wäre es hilfreich, andere Mädchen zur Teilnahme am Programm zu motivieren? Ich dachte an Ursula Johnson. In gewisser Weise hatte sie mich inspiriert. »Aber das Programm ist geheim.«
    »Natürlich. Ich möchte der Londoner New-World-Gruppe nur sagen, dass da was kommt, damit wir im Voraus planen können. Damit sie sehen, dass YOFI zum Einstand einen echten Knaller mitbringt.«
    Ich verlor den Faden, denn in Wettenhall war etwas passiert. Auf dem Bildschirm wogten Rauchwolken. Eine Explosion? Iain schaute ebenfalls hin.
    »Hoffentlich war das keine Bombe«, sagte er. »Was können sie noch bewirken, wenn man sie festnimmt?« Wir starrten auf den Fernseher. Flammen schlugen aus den Gebäuden, es brannte. »Beim Protest geht es um Effektivität«, fuhr er fort. »Darum, Menschen für ihre Sache zu mobilisieren und sich zahlenmäßig Gewicht zu verschaffen. Deshalb ist dein Vorhaben so erstaunlich.« Er schaute mich unverwandt an. Seine Augen erinnerten mich an eine Eule.
    Ich wusste, er hatte recht – es war wieder wie in alten Zeiten. Er hatte das große Ganze im Blick, Ursache und Wirkung, nicht nur das Naheliegende. Er hatte recht – was nützte es, wenn Nat und Baz verhaftet wurden? Vielleicht würde ich Baz nie wiedersehen. Ich hatte das Gefühl, mein ganzer Bauch ziehe sich zusammen.
    Iain erhob sich. »Okay, danke, Jess. Das ist für alle das Beste – in politischer Hinsicht ist das, was du tust, reines Gold. Und ich kann dafür sorgen, dass Hunderte Mädchen in deine Fußstapfen treten. Du bist die Vorreiterin, die der Entscheidung Respekt verschaffen wird.« Er trat auf mich zu, und ich fürchtete schon, er wolle mich wieder küssen, doch dann reichte er mir nur die Hand. Sie fühlte sich heiß, feucht und fleischig an. Er ging in die Diele, um seine Regenkleidung anzuziehen. Ich stellte den Fernseher wieder lauter und winkte ihm durchs Fenster zu, als er das Fahrradschloss aufsperrte. Als er weg war, ging ich zur Haustür und schloss doppelt ab. Das Gefühl in meinem Bauch gefiel mir nicht. Ich war mir nicht sicher, ob ich richtig gehandelt hatte.

22
    Am Abend kam Dad nach Hause und verkündete, Mandy sei schwanger. Mum habe einen weiteren Test gemacht, und der Arzt habe das Ergebnis bestätigt.
    Wenn das Unglück eintrifft, empfindet man erst einmal nichts. Die Empfindung fällt wie ein Stein durch einen hindurch, und man nimmt nichts weiter wahr als die innere Leere. Obwohl ich mit der Möglichkeit gerechnet hatte, war ich total geschockt. Mum leistete ihr Gesellschaft, und als ich die Nachricht ein bisschen hatte sacken lassen, machte Dad sich daran, seine und Mums Sachen einzupacken. Er fragte mich, ob ich bei Sal schlafen könne. Meine Eltern wussten nicht einmal, dass sie umgezogen war.
    »Wollt ihr Mandy nicht hierherbringen? Oder kann ich dich begleiten?«
    Dad stellte seufzend die Reisetasche ab. »Nein. Tut mir leid, Jess, aber das geht nicht. Kannst du irgendwo anders unterkommen?«
    » Warum? «
    »Weil es schrecklich ist.«
    Ich wusste über MTS Bescheid. Ich wusste, wie es weitergehen würde. Dennoch nagte ein Anflug von Grauen an meinem Herzen, als gäbe es noch mehr,

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