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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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du mich noch?« Und ich antwortete flüsternd: »Ja. Magst du mich auch noch?«
    »Dummerchen«, meinte er lachend. Er setzte sich zu mir aufs Bett, und wir fuhren fort, uns zu küssen. Plötzlich hielt er inne. »Was hast du damit gemeint, das wäre geheim?«
    »Meine Teilnahme am Programm.«
    »Deine Teilnahme?«
    Ich war mit dem Lift in einem Wolkenkratzer ganz nach oben unterwegs, da rissen auf einmal die Seile. Ich stürzte dem Boden entgegen. »Ja. Ich wollte dir das noch erklären …«
    »Was erklären?«
    »Also, erinnerst du dich noch, dass ich dir an dem Abend, als wir geschaukelt haben, etwas sagen wollte?«
    »Wovon redest du?«
    »Weißt du noch, die MTS -freien Babys?«
    »Denen man einen Impfstoff spritzt und die man Mädchen einpflanzt, die sterben müssen?«
    »Ich … ja … ich habe mich dafür angemeldet.«
    »Dafür?«
    »Ja.«
    »Bist du verrückt geworden?«
    »Nein.« Eine dumme Bemerkung, denn jede Erwiderung war sinnlos.
    Baz stand auf, lehnte sich an die Wand und sah mich an. »Hat er dich darauf gebracht?«
    »Wer?«
    »Iain. Ist das sein Masterplan?«
    »Nein, natürlich nicht. Das war meine Idee.«
    »Er hat dich einer Gehirnwäsche unterzogen.«
    »Nein! Das war meine Idee, ich habe mich dazu entschlossen, mich zu melden.«
    »Wieso weiß er davon?«
    »Er kam gestern vorbei und hat mich danach gefragt – hör mal, das ist vollkommen unwichtig.«
    »Aber du … du …« Er starrte mich an, und sein Tonfall klang auf einmal nicht mehr zornig. »Jessie, was hast du vor?«
    Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Ich wusste, er würde mich nicht verstehen. Je mehr Fragen er stellte, desto größer wurde meine Panik. Ich erzählte ihm von Mandy, dann von den Seepferdchen, die ich mir mit Dad zusammen angeschaut hatte.
    Schließlich sagte er: »Ist das wahr?«
    »Ja.«
    »Du willst dich tatsächlich freiwillig melden, ins Krankenhaus gehen und dich töten lassen?«
    »Baz, das stimmt so nicht.«
    »Dann begreife ich nicht, weshalb du diesen Mist verzapfst.«
    »Okay, hör zu.« Ich ging noch einmal alles langsam durch, von Anfang an. Dann erklärte ich ihm, dass Iain nur zufällig vorbeigeschaut habe. Alles, was ich sagte, klang irgendwie fadenscheinig. Als ich fertig war, drehte Baz sich um und ging hinaus. Ich hörte, dass er in die Küche ging, dann wurde es still. Ich erhob mich und ging ihm nach. »Baz? Baz?«
    »Was ist?« Er zog seine Vliesjacke an.
    »Wo willst du hin?«
    »Nach Hause.« Er schob die Füße in die Stiefel und bückte sich, um sie zu schnüren.
    »Aber …«
    »Was, aber?«
    »Ich … ich will nicht, dass du gehst.«
    Keine Antwort.
    »Also, du kannst nicht so einfach … weggehen.«
    »Warum nicht?«
    »Weshalb bist du mir böse?«
    Er richtete sich auf. »Du willst, dass ich hierbleibe, dir Beifall klatsche und sage: Bist du nicht tapfer? «
    »Nein, aber …«
    »Das kann Iain machen. Frag ihn.«
    »Mit Iain hat das nichts zu tun. Ich hasse Iain. Hör auf damit!«
    »Was soll ich hier noch? Wenn du trotzdem tust, was du vorhast?«
    »Ich dachte, du magst mich.«
    »Ich dachte, du magst mich.«
    »Tu ich doch!«
    »Ja, klar.« Er nahm seine Jacke, zwängte sich an mir vorbei, riss die Haustür auf und schlug sie hinter sich zu.
    Ich war wie versteinert. Bestimmt würde er zurückkommen. Auf seine Reaktion wusste ich mir keinen Reim zu machen. Ich versuchte, vernünftig zu überlegen, doch seine hasserfüllte Ablehnung hatte mich vollkommen gelähmt. Er machte sich nichts aus mir, er mochte mich nicht einmal, er hielt mich einfach nur für dämlich. Er hielt mein Vorhaben für Blödsinn. Diese Ungerechtigkeit verschlug mir den Atem. Wie hätte ich an seiner Stelle empfunden? Er erzählt mir, er wolle bei einem Medikamententest mitmachen und dazu beitragen, ein Mittel gegen MTS zu finden. Die Teilnahme werde ihn das Leben kosten. Würde ich ihn für tapfer halten? Würde ich ihn nicht bewundern und noch mehr lieben? Würde ich nicht versuchen, das Beste aus der kurzen Zeit zu machen, die uns noch bliebe? Würde ich ihn nicht unterstütze n ? Mir war danach aufzuspringen, brüllend im Zimmer umherzutoben und mit Gegenständen um mich zu werfen.
    Doch ich blieb zusammengesunken am Tisch sitzen, erlaubte mir keine Regung. Ich versetzte mich in die Situation hinein, was sich anfühlte, als quetschte ich mich durch einen Türspalt in ein anderes Zimmer. Wenn er sich dafür meldete, würde er mir damit zu verstehen geben: »Das bedeutet mir mehr als du.« Immerhin ein Ansatz.

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