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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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auskannte, einen Bienenstock aufstellte und ihnen alles Nötige beibrachte. Der organische Abfall würde mit Urin kompostiert werden, um den Garten damit zu düngen. Sie würden das Tor reparieren, das Dach abdichten und das Haus wetterfest machen. Und wenn sie das alles in diesem Jahr noch schafften, würden sie im nächsten Jahr größere Dinge in Angriff nehmen, etwas Getreide anbauen, vielleicht einen Obstgarten anlegen und Kühe anschaffen.
    »In der Scheune können wir weitere Schlafplätze einrichten«, meinte sie, »und die Schuppen als Lagerräume nutzen. Wir können Tomaten und Obst in der Sonne trocknen, Marmelade kochen und Obst einmachen und einen unterirdischen Lagerraum für Wurzelgemüse anlegen, damit es im Winter nicht erfriert. Das Regenwasser ergänzen wir mit Wasser aus dem Bach, und es spricht nichts dagegen, dass wir auf dem Hügel unser eigenes Windrad aufstellen.« Sie lachte. »Ich werde den Hof Eden nennen!«
    Ich setzte mich auf die alte Bank im Garten, während sie wieder ins Haus ging, um eine Liste der vorhandenen Geräte anzulegen. Die Frühlingssonne wärmte schon ein wenig, und zwischen den Pflastersteinen des Weges spross gelb blühender Huflattich hervor. Ich stellte mir vor, wie Lisa mit einem Haufen Kids hier ankommen würde, wie sie Vorräte auspackten und entschieden, wer wo schlafen sollte, wie sie die Küche aufräumten und das Gerümpel im Freien verbrannten. Sie würden um das Feuer herumstehen, wenn es dunkel wurde, und lachend Pläne schmieden.
    Der Huflattich war die erste Blume dieses Frühjahrs. Alles erneuerte sich, bald würden überall im Tal neue Blätter sprießen. Lisa kam nach draußen und rief mir zu, sie sei fertig. Als ich auf dem Hof erschien, hantierte sie mit dem Schlüssel, der sich nicht im Schloss drehen wollte. Lachend meinte sie, das Haus wolle sie nicht fortlassen. Ich sperrte für sie ab und legte den Schlüssel unter den Stein, dann gingen wir zu unseren Rädern. Lisa plapperte in einem fort über die Verbesserungen, die sie vornehmen würden. Ich konnte keinen Gedanken fassen, doch in meinem Kopf war eine Art Rauschen. Als wir die Räder auf den Bahnsteig schoben, hatte ich wieder einen klaren Kopf und begriff, dass ich nicht nach Hause wollte.
    Wenn ich einfach nur eine Weile allein sein könnte – wirklich allein, an einem Ort, wo mir niemand zusetzen konnte – und Zeit zum Nachdenken hätte, würde ich es auf die Reihe kriegen. Eden war der perfekte Ort zum Bleiben. Hier ging es um niemand anderen; weder um Baz und Iain, noch um Mum und Dad oder Lisa und Sal; nur um mich. Um mein Leben. Ich wollte mich ausbreiten und einen Raum ausfüllen – ein Zimmer, das Haus, das Tal –, um mich zu spüren, um mir ganz sicher zu werden.
    Ich glaubte schon, Lisa werde sich ebenfalls zum Bleiben entschließen, doch sie wollte zu Gabe zurück. Ich bat sie, nach ihrer Rückkehr Mum und Dad Bescheid zu geben. Als der Zug kam, stand ich mit meinem Rad auf dem Bahnsteig und winkte ihr zum Abschied. Ich sagte mir, wenn ich es schaffte, ohne abzusteigen zurückzuradeln, wäre meine Entscheidung richtig, und ich schaffte es auch, obwohl ich mich vor der Kuppe des zweiten Hügels auf die Pedale stellen musste und Schlangenlinien fuhr, weil ich immer langsamer wurde. Ich versteckte das Rad im Gebüsch am Tor, und als ich den Weg hochging, klang auf einmal alles lauter – die krächzenden Krähen und die kleinen zwitschernden Waldvögel, das Knirschen meiner Schritte, der schwache Wind in den Baumwipfeln. Hellgrüne, nach Knoblauch riechende Blätter sprossen aus dem abgefallenen Laub hervor. Ein aufgeschreckter Vogel schmetterte ein Lied. Wenn der Schlüssel sich problemlos drehen lässt, dachte ich, wenn ich den Herd anbekomme, dann beweist das, dass es richtig war zu bleiben. Der Schlüssel drehte sich schon beim ersten Versuch im Schloss. Ich erkundete noch einmal das Haus und entdeckte jetzt, da ich allein war, ganz neue Dinge; den Korb mit den Zweigen und Holzscheiten neben dem Kamin, den Wäscheschrank im Bad mit den säuberlich gefalteten Laken und Bezügen. In der Speisekammer waren ein Sack mit verschrumpelten, keimenden Kartoffeln und ein paar Konservenbüchsen – Tomaten, Thunfisch, Süßmais. Ich konnte mir eine Mahlzeit bereiten.
    Ich beschloss, den Kamin im Wohnzimmer anzuzünden und auf dem gemütlichen Sofa zu schlafen. Ich brachte Laken und ein Federbett nach unten. Sie waren feucht, doch ich könnte sie am Feuer trocknen. Eine Weile suchte ich

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