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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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in den Küchenschubladen nach Kerzen, doch ich fand nur ein angebrochenes Paket Geburtstagskerzen. Egal. Ich würde das Feuer in Gang halten, bis Schlafenszeit war.
    Ich entfernte die Asche, dann machte ich mich auf die Suche nach Wasser, weil ich mir die Hände waschen wollte. Mir fiel der runde Wassertank im Badezimmer ein. Lisa hatte den Kaltwasserhahn ausprobiert, aber nicht den Warmwasserhahn, und als ich ihn aufdrehte, gurgelte es erst, dann kam Wasser. Die Tankfüllung war für meine Zwecke mehr als ausreichend.
    Als es Abend wurde, zerknüllte ich die auf dem Boden liegenden Zeitungen und entzündete das Feuer mit den letzten Streichhölzern aus dem Döschen, das auf dem Kaminsims lag. Ich legte ein paar Scheite nach, dann stellte ich den Funkenschutz auf. Ich zog die dicken Vorhänge vor und trat auf den Hof. Die Sonne war bereits untergegangen, der wolkenlose Himmel dunkelblau. Die ersten hellen Sterne waren zu sehen. Im Wald krächzten die Krähen, doch ansonsten war es still – friedlich lag das Land unter dem weiten Himmel. Ich pinkelte im Garten und hoffte, dass ich nachts nicht rausmüsste.
    Als ich wieder ins Haus ging, konnte ich in der Küche nichts mehr erkennen und musste mich am Tisch und den Stühlen vorbeitasten. Das Kaminfeuer brannte, erfüllte den Raum mit wundervollem Holzgeruch und warf hinter dem Sofa und den Sesseln lange Schatten. Ich hatte bereits alles zusammengetragen, was ich brauchte – Konservenbüchsen und Büchsenöffner, Kochtopf, Löffel, einen Krug mit Wasser. Ich hielt den Topf so lange wie möglich über das Feuer und verzehrte mein Abendessen lauwarm. Von der Hitze glühte mir das Gesicht. Dann schaute ich in die Flammen und machte meinen Geist leer, bis nichts mehr darin war außer diesen roten und gelben tanzenden Gebilden. Als sie erstarben, deckte ich mich mit dem Federbett zu und kuschelte mich zum Schlafen ein, während die Wärme des Kamins über meine Augenlider flackerte.
    Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, doch auf einmal wachte ich auf. Als ich die Augen öffnete, war es dunkel um mich herum. Ich lag still da und rief mir in Erinnerung, wo ich war. Ich wandte mich dem Feuer zu, doch es war erloschen. Ich richtete mich auf und setzte die Füße auf den rauen Teppich. Die Dunkelheit war wie ein erstickender Umhang. Nicht einmal Umrisse waren zu erkennen. Alles war pechschwarz. Ich kam auf die Idee, die Vorhänge zu öffnen.
    Ich tappte zum Fenster. Ich ertastete den schweren Samtvorhang und zog ihn beiseite, dann streckte ich die Hand aus und berührte die kalte Fensterscheibe. Aber draußen war es auch nicht heller. Unter lautem Getöse zog ich beide Vorhänge auf, doch es half nichts, da war nichts als Schwärze. Stand vor dem Fenster etwa eine Mauer, die den Himmel verdeckte? Ich zitterte jetzt, tastete mich zum Sofa zurück und hüllte mich ins Federbett. Es war, als wäre die ganze Welt mit Ruß aufgefüllt worden. Ich stellte mir vor, ich wäre lebendig begraben. Egal, wie weit man die Augen aufriss, es blieb stockdunkel. Die Dunkelheit lastete auf dem Gesicht, es gab keinen Ausweg. Was wäre, wenn man es mitbekam, obwohl sie glaubten, sie hätten einen eingeschläfert?
    Ich versuchte, vernünftig zu sein. Draußen war es dunkel, weil es hier keine Straßenlaternen und keine Nachbarhäuser gab. Das war gut, keine Lichtverschmutzung. Aber mein Herz klopfte trotzdem so stark, dass ich Brustschmerzen hatte. Ich dachte an das junge Ehepaar, das hier gestorben war. Tot sein bedeutet, dass die Dunkelheit in Augen, Ohren und Mund eindringt und einen in sich selbst einsperrt. Wenn sich wenigstens das Fenster als schwacher Lichtschimmer abgezeichnet hätte. Doch alles war verschwunden. Mir fiel mein Handy ein, dessen Display hell wird, wenn man es berührt. Ich hatte es abgeschaltet, um den Akku zu schonen und weil ich hier kein Netz hatte. Ich tastete auf dem Boden herum, doch es befand sich nicht in meiner Nähe. Ich wagte nicht, mich zu rühren, ich musste still sein und lauschen. Mit jeder verstreichenden Minute erschien es mir unmöglicher, die folgende Minute zu ertragen. Wenn ich das durchstehe, dachte ich … wenn ich nur diese Nacht durchstehe …
    Als der Morgen anbrach, taten mir die Augen weh, denn ich hatte sie überanstrengt. Sie spielten mir Streiche, ich sah schwarze Formen in der Schwärze, wogende Schichten von Dunkelheit. Als ich merkte, dass es dämmerte, kuschelte ich mich unter das Federbett und nickte ein.
    Ein, zwei Stunden

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