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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Vittorinos Büchlein verglichen. Vermutlich hat sie es mitgenommen – aber wohin?
    Schließlich ziehe ich einen Seidenmantel hervor und entfalte ihn schwungvoll. Der Purpur eines Kardinals?, frage ich mich verwirrt. Unschlüssig werfe ich die Taschen auf den Tisch und sehe mich im Saal um.
    Und jetzt?
    Mein Blick fällt auf die Stundenkerze. Sie ist ganz schief heruntergebrannt. Ich betrachte sie genauer. An einer Seite ist heißes Wachs hinuntergelaufen. Aber wieso?
    Ich habe da so eine Ahnung …
    Die Kamine!
    Ich ducke mich unter dem hohen Kaminsims hindurch, das mich um drei Handbreit überragt, trete in die Mitte der Feuernische und spähe mit zurückgelegtem Kopf nach oben. Durch die runde Öffnung des Schlots hoch über mir fällt ein Schimmer Licht. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und taste mit beiden Händen den rußschwarzen Kaminsims ab.
    Nichts.
    Ich verlasse den Kamin und betrete den nächsten. Mit schmierigen Fingern fahre ich über die rußige Innenwand.
    Wieder nichts.
    Doch dann sehe ich über mir etwas im unablässigen Flackern der Blitze im Kaminschlot schimmern. Unwillkürlich muss ich grinsen. Na also, wer sagt’s denn!
    Ich schleppe einen der Faltstühle vom Refektoriumstisch in den Kamin und steige hinauf. Ja, so geht’s.
    Den Dolch, den sie mit heißem Wachs an der Innenseite des Kaminsimses befestigt hat, lasse ich hängen. Offenbar ist sie sich der Gefahr bewusst – sie hat das Waffenverbot umgangen und eine Klinge in die Abtei geschmuggelt. Neben dem Dolch kleben zwei Pergamentbögen am Mauerwerk. Ich reiße sie ab, steige hinunter und bringe den Stuhl zurück zum Tisch.
    Gerade will ich den ersten Bogen auseinanderfalten, als ein plötzliches Krachen mich herumfahren lässt. Der Sturm hat den abgerissenen Ast einer Eiche gegen eines der Fenster geschleudert. Dieses ist dabei zerbrochen. Die Scherben liegen auf dem Boden verstreut. Der Wind presst sich mit einem schrillen Geräusch, als ob die Engel die Nokturnen singen, durch die scharfkantige Öffnung.
    Ich wende mich ab und betrachte den ersten Brief im Licht der Stundenkerze. Ein eigenhändiges Schreiben von Louis d’Estouteville, mit seinem persönlichen Siegel, sieh mal einer an! Ich überfliege das eng beschriebene Dokument, das Alessandra im Namen von König Charles beauftragt, den englischen Agenten festzunehmen und nach Paris bringen zu lassen, wo ihm der Prozess gemacht werden soll. Ist ja interessant!
    Ich klappe den Brief zusammen und entfalte den anderen.
    Ein päpstliches Breve, aha! Mir stockt der Atem, als ich die ersten Zeilen überfliege. Eine umfassende Handlungsvollmacht! Alessandra ist nur dem Papst für ihr Handeln verantwortlich, nicht aber dem König von Frankreich.
    Gebannt lese ich weiter.
    Ma Doue – mon Dieu! Das darf doch nicht wahr sein!
    Verwirrt starre ich auf die Zeilen oberhalb des päpstlichen Siegels. Das kann Seine Heiligkeit doch nicht tun! Mein Blick huscht hinüber zu dem purpurnen Mantel auf dem Tisch, dem Ornat eines Kardinallegaten. Also stimmen die Gerüchte, die ich in Rom über sie gehört habe. Kein Wunder, dass Kardinal d’Estouteville sich derart aufgeregt hat, als er mir davon erzählte. Nach Papst Martins Tod vor achtzehn Jahren ist die Kirche noch immer fest in den Händen der Colonna.
    Aber wieso lässt sie ihr bewaffnetes Gefolge, das ihr Leben schützen soll, in der Prieuré de Genêts und kommt allein zum Mont, um den Mord an Vittorino …
    Ein verzweifelter Schrei lässt mich aufhorchen. Ich hebe den Kopf und lausche in das Tosen des Windes in den Eichen an der Nordflanke. Ein dumpfes Stöhnen, irgendwo in der Merveille, gefolgt von einem weiteren schrillen Schrei. Wie von einem Menschen in Todesangst.
    Nicht schon wieder!
    Kurz entschlossen falte ich das päpstliche Breve zusammen und schiebe die beiden Vollmachten zu Vittorinos Notizbuch unter meine Kukulle. Die Fälschungen lasse ich auf dem Tisch liegen, als ich so schnell wie möglich den Saal verlasse und, während der nächste Schrei durch die Räume hallt, die Tür des Scriptoriums aufreiße.
    Ein Schemen kommt mir entgegen! Mit einem Fluch weicht er vor mir zurück und flüchtet zwischen den Schreibpulten hindurch auf die andere Seite des Saals zur Wendeltreppe, die das Scriptorium mit den anderen Sälen der Merveille verbindet. Die Tür schlägt hinter ihm zu. Er ist verschwunden.
    Wer auch immer es ist – es ist nicht Padric. Denn die verzweifelten Schreie meines Freundes kann ich noch immer hören. Padric ist

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