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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Todesschrei verzerrt. Meinen Sohn so sterben zu sehen. Das Kind, das ich geliebt habe. Den jungen Mann, mit dem ich mich erbittert gestritten habe, weil er so sein wollte wie ich. Weil er mir getrotzt hat wie ich meinem Vater. Weil er gegen meinen Willen Mönch und Priester wurde und sich Prospero, der meinen Sohn wie einen Neffen liebte, als Verbündeten gegen mich gesucht hat.
    »Dein Junge war erst achtzehn?«, hat Yannic gestaunt. »Und schon zum Priester geweiht?«
    »Auf dem Weg in den Himmel hat er sogar die Erzengel überholt.«
    Ich atme tief durch. Ich weiß noch, welches Entsetzen ich bei Angelos Anblick empfand. Seine Leiche war noch grauenhafter zugerichtet als die von Conan.
    In diesem Augenblick würde ich am liebsten aufstehen und gehen, einfach weggehen, zurück nach Hause. Wo immer das ist. Dieses Gefühl, ein ohnmächtiges Empfinden eines unabwendbaren Schicksals, droht mich zu überwältigen.
    »Und er hat versucht, die Blutschrift unleserlich zu machen«, fährt der Prior fort. »Die letzten Buchstaben hat Père Yann verwischt.«
    Ich werfe Yannic einen raschen Blick zu, aber er hat die Kapuze hochgezogen, sodass ich sein Gesicht nicht erkennen kann. »Ich werde ihn später dazu befragen«, sage ich nur und wende mich wieder der Leiche zu.
    Conan liegt so, wie Yannic es mir vorhin beschrieben hat.
    Meine Finger fühlen sich ganz kalt an, als ich die gefalteten Hände behutsam voneinander löse und die Arme in die Position zurückschiebe, in der sie lagen, als Conan starb: in die Blutlachen. Er sieht aus wie ein geflügelter Blutengel. Die Totenstarre hat noch nicht eingesetzt. Sie beginnt normalerweise ein bis zwei Stunden nach dem Tod an den Augenlidern, den Gesichtsmuskeln und den Fingergelenken. Ein heftiger Kampf, wie Conan ihn mit letzter Kraft geführt zu haben scheint, sorgt normalerweise dafür, dass die Totenstarre schneller einsetzt – aber davon kann ich noch nichts fühlen.
    »Woran, glaubt Ihr, ist Frère Conan gestorben?«, fragt Yvain.
    Ich schiebe die Ärmel von Conans Habit hoch und betrachte die Schnitte an den Pulsadern, die Conan sich selbst beigebracht hat. Und die anderen Wunden an seinen Armen, die von einem Angriff mit einem Dolch herrühren. Keine dieser Wunden war tödlich. »Frère Raymond, Frère Jourdain, Père Lucien, Ihr leuchtet mir. Alle anderen drehen sich um. Ich muss Frère Conan entkleiden.«
    »Wozu?«, ereifert sich Yvain.
    »Um die Todesursache festzustellen. Die Engelsflügel aus Blut zeigen, dass Frère Conan noch lebte, als er von seinem Mörder hierhergebracht wurde. Tote bluten nicht.«
    »Und die tiefen Schnitte an den Handgelenken …?«
    »… sind nicht tödlich. Die Pulsadern wurden quer zum Handgelenk aufgeschnitten und sind daher nur oberflächlich verletzt. Wären sie mit langen Schnitten der Länge nach aufgeschnitten worden, wäre der Tod in kürzester Zeit eingetreten. Nein, Frère Conan ist nicht an diesen Verletzungen gestorben. Er hätte gerettet werden können, wenn er verbunden worden wäre.«
    Yannic schluchzt auf, wendet sich ab und birgt sein Gesicht in den Händen.
    Ich mache eine kreisende Bewegung mit dem Finger, und die Fratres, mit Ausnahme von Yvain und Corentin, der zu Yannic hinübergeht, um ihn zu trösten, drehen sich um und wenden mir den Rücken zu. Denn die Ordensregel verbietet die Nacktheit des Körpers. Die Mönche schlafen nachts in ihrem Habit und legen im Bett nicht einmal den Gürtel ab. Den Anblick von Conans misshandeltem Körper erspare ich ihnen. Ich habe die Blutskizzen gesehen. Ich befürchte das Allerschlimmste. »Frère Aimery, kniet Euch hinter Frère Conan und helft mir, damit ich ihn entkleiden kann.«
    Kukulle. Skapulier mit Kapuze. Habit. Untergewand. Erst als ich ihm das blutgetränkte Leinengewand über den Kopf ziehe und er nackt vor mir liegt, weiß ich, woran er gestorben ist. Obwohl ich die Skizzen gesehen habe und auf das Schlimmste vorbereitet bin, muss ich würgen.
    »Mon Dieu!« Frère Aimery schlägt sich die Hand vor den Mund, drängt sich an Frère Jourdain vorbei, der die Farbe eines Totenschädels angenommen hat und entsetzt den Leichnam anstarrt, beugt sich über den Abgrund und übergibt sich.
    Ich drehe mich um zu Père Yvain, dessen Gesicht aussieht wie weißes Kerzenwachs. »Ich denke, damit ist Eure Frage nach der Todesursache beantwortet.«
    Der Prior nickt schwach und starrt voller Entsetzen auf die aufgerissene Bauchhöhle, aus der die Eingeweide hervorquellen. Conans Mörder

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