Das Testament des Satans
Euch gebeichtet?«
»Nein.«
»Wer war sein Beichtvater?«
»Père Corentin.«
»Ein Mensch aus Fleisch und Blut«, sinniert sie mit dem erhobenen Zeigefinger an ihren Lippen, wendet sich ab und geht einige Schritte, scheinbar in Gedanken versunken. Schließlich bleibt sie wieder vor mir stehen. »Das Böse ist nicht so geheimnisumwittert und schemenhaft, wie wir uns gern einreden wollen. Es ist immer da. Ich bin ihm schon begegnet.«
Ich weiß, worauf sie hinaus will. »In Rom?«
Alessandra nickt. »Im Vatikan.«
Corentin tritt neben uns, schiebt seinen Arm unter meinen, deutet auf Conans Leichnam und fragt sie: »Glaubt Ihr an den Satan, Euer Gnaden?«
»Das letzte Mal, als ich ihm in den Gewölben des Vatikans begegnet bin, hat er meinen Sohn erschlagen.«
Corentin schnauft unter seiner Maske. »Tut mir leid, das wusste ich nicht …«
»Schon gut«, winkt sie ab. »Am Ende stellte sich heraus, dass die Inkarnation des Bösen ein blutdürstiger Dominikaner war, der mich aus Rache ermorden wollte und durch ein Versehen meinen Sohn tötete.«
»Ihr glaubt nicht an Satan?«, murmelt Corentin dumpf.
»Nein. Ich glaube an die Freiheit des Menschen und seine Unfähigkeit, damit umzugehen.«
Corentin nickt bedächtig – er wirkt enttäuscht und beunruhigt, dass sein hinterlistiger Plan nicht aufgehen könnte. »Glaubt Ihr an Gott?«, fragt er mit streitbarem Unterton.
»Mein Cousin war Stellvertreter Gottes auf Erden«, antwortet sie ruhig. Sie lässt sich von ihm nicht provozieren. »Mein Vater war ›der Richter Gottes‹. Mein Großvater war Condottiere, also Feldherr der Kirche. Mein Cousin Prospero ist Kardinal und vermutlich der nächste Papst. Die römische Kirche ist seit dreißig Jahren fest in der Hand der Colonna. Ich bin in einem goldenen Käfig aufgewachsen, habe an den Gitterstäben gerüttelt, die Unterwerfung verweigert, die Regeln missachtet und durch meinen Trotz den Unwillen Seiner Heiligkeit herausgefordert – aber am Ende, Père Corentin, bin ich, was ich bin. Der Papst schenkt mir sein Vertrauen und ernennt mich zu seiner Vikarin, zu seiner weltlichen Vertreterin im Kirchenstaat. Nach dreißig Jahren Kampf bin ich noch immer eine Gefangene Gottes.«
»Seid Ihr eine gläubige Katholikin?«
Sie schmunzelt. Offenbar hat sie die Frage erwartet. »Das ist eine Frage, die ich gern beim Abendessen mit Seiner Heiligkeit diskutieren werde. Er wird sich prächtig amüsieren. Bin ich eine gläubige Katholikin? Ich würde sagen: Nein. Dafür habe ich zu lange mit einem orthodoxen Mönch zusammengelebt, dafür habe ich mich während meiner Reisen zu sehr mit den anderen Glaubensrichtungen unserer vereinigten Kirche beschäftigt: denen der Byzantiner, der Syrer, der Armenier, der Kopten, der Äthiopier. Bin ich Christin? Ich würde sagen: Ja. Trotz meiner Ehe mit einem Juden, trotz meines jahrelangen Aufenthaltes im muslimischen Granada, wo mich der Sultan immer wieder gedrängt hat, zum Islam zu konvertieren. Aber überlassen wir die Entscheidung doch Seiner Heiligkeit. Ich werde ihn bitten, Euch sein abschließendes Urteil zukommen zu lassen.«
Corentin schnaubt. »Père Yann hat uns berichtet, dass Ihr in Rom Satansmessen gefeiert habt?«
»Ja, ich habe …«
Ein Tumult bricht los, die Fratres machen ihrem Entsetzen Luft, und sie hat Mühe, sich Gehör zu verschaffen.
»Im Auftrag des Papstes habe ich einen Mord im Lateran untersucht«, erklärt sie mit fester Stimme. »Mit seinem Segen habe ich die Umstände des Todes eines Dominikaners nachvollzogen, der scheinbar nach einem Satanspakt zerfetzt wurde. Gemeinsam mit einem Inquisitor habe ich die Rituale vollzogen …«
»Im Priestergewand!«
»… habe Satan angerufen …«
»In der weißen Albe eines Papstes!«, dröhnt Corentin.
»… und habe vom Papst die Absolution erhalten!«, übertönt sie ihn.
»Die Absolution?«, höhnt er.
»Mit Brief und Siegel.«
»Incroyable!«
»Und die Moral von der Geschicht: Mit Satan paktiert man besser nicht! Denn wer erschien, als ich das Böse beschwor? Ein Dominikaner, ein leibhaftiger Inquisitor!«
Aimery will auf sie losgehen, aber Yvain hält ihn zurück.
Alessandra dreht sich zu ihm um. »Frère Aimery, falls ich Euch beleidigt habe, tut es mir leid. Zumal Ihr die Seiten gewechselt habt und nun zu den Guten gehört.«
Aimery knirscht wütend mit den Zähnen.
»Ihr kennt Euch also mit satanischen Ritualen aus?«, fragt Corentin.
»Ich kenne einige Grimoires.«
»Den Schlüssel des
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