Das Teufelslabyrinth
Papst kommt nach Boston und stattet uns einen Besuch ab.« Pater Sebastian kam immer näher. »Er erwartet, einem Wunder beizuwohnen, und du und ich, wir werden ihm gemeinsam dieses Wunder vorführen.«
Erneut huschte Ryans Blick durch den dämmrigen Raum und blieb an der Christusfigur über dem Altar haften. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, erklärte er und gab
sich Mühe, dass seine Stimme nicht zitterte. »Ich habe keine Ahnung von Wundern oder …«
»Das ist auch gar nicht nötig«, beschied ihm Pater Sebastian. »Mein Wissen darüber reicht für uns beide. Ich weiß alles über den Dämon, der in dir haust, Ryan. Ich weiß alles über ihn und auch darüber, wie ich ihn austreiben kann.«
»Aber…«
»In jedem Katholiken steckt Böses, Ryan. Aber ich vermag dieses Böse zu beherrschen. Und ich habe den Ritus des Exorzierens gelernt. Seine Heiligkeit wird diesem alten Ritual beiwohnen, Ryan. Er wird mir zusehen, wenn ich den Dämon aus deiner Seele treibe.«
Der Priester kam noch ein Stück näher, und da roch Ryan etwas Scharfes, Bitteres in seinem Atem. Instinktiv drückte er sich fester gegen die Tür, doch da sie keinen Millimeter nachgab, zog Ryan den Kopf zwischen die Schultern, machte eine Rechtsdrehung und schoss wie der Blitz auf die Tür zur Sakristei zu, in der sicheren Gewissheit, dass ihn hinter dieser Tür nur Besseres erwarten konnte.
Doch der Priester war auf Ryans Fluchtversuch vorbereitet. Er hielt ihn mit sehr viel mehr Kraft, als Ryan erwartet hätte, am Oberarm fest und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Sekunden später hatte Pater Sebastian ein feuchtes Tuch in der freien Hand, das er Ryan auf Mund und Nase drückte. Ryan versuchte zwar, die Luft anzuhalten und die beißenden Dämpfe, die aus dem Tuch dünsteten, nicht einzuatmen, doch das hielt er nicht lange durch.
Seine eigenen Kräfte schwanden im gleichen Maße, wie die von Pater Sebastian zunahmen. Ryan schlug das Herz bis zum Halse, und trotz seines Vorsatzes, nicht zu
atmen, unterlag sein Wille seinen Reflexen; irgendwann weiteten sich seine Lungen und sogen sich mit den widerlichen Dämpfen voll.
Es war, als hätte jemand in seinem Inneren einen Schalter umgelegt. Das bisschen Kraft, das er noch hatte, schien mit einem Mal aus seinen Armen und Beinen abzufließen.
Er spürte noch, wie er gegen den Priester taumelte und seine Knie einknickten.
»Es ist gut, Ryan«, hörte er Pater Sebastian sagen. »Wenn du aufwachst, wirst du ein neuer Mensch sein.«
Ryan schaute hinauf in das freundliche, lächelnde Gesicht des Priesters - ein Lächeln, das zwei eiskalt blickende, leere Augen Lügen straften -, dann wurde ringsum alles schwarz.
Und in seiner Hilflosigkeit überließ sich Ryan dieser Schwärze.
48
Steve Morgan parkte den Streifenwagen und schaltete die Scheinwerfer aus. »Okay, bringen wir es hinter uns. Und sieh zu, dass du dem Zwang widerstehst, dir noch ein paar neue Fragen auszudenken.«
»Okay, nur eine Unterschrift«, versprach Matt McCain, machte die Tür auf und stieg aus. Draußen regnete es.
Morgan rückte seine Uniformmütze zurecht, dann gingen die beiden Polizisten durch den Vorgarten zur Eingangstür. Im Haus brannte noch überall Licht; nichts schien
sich verändert zu haben, seit sie vor knapp einer Stunde das Haus verlassen hatten. Und dennoch, als sie die Stufen zum Eingang emporstiegen, verspürte McCain dieses Brennen in der Magengrube - stets ein sicheres Anzeichen dafür, dass allem Anschein nach zum Trotz etwas doch nicht in Ordnung war.
Morgan klingelte, und sie hörten das Ding-dong der Türglocke merkwürdig dumpf durchs Haus schallen.
Sie warteten, aber da waren keine Schritte, kein »Ich komme schon!«.
Nur Stille.
Eine Stille, so dumpf wie der Klang der Türglocke.
Morgan drückte noch einmal den Klingelknopf. »Vielleicht übernachtet sie bei ihrem Bekannten.«
Morgan schüttelte den Kopf. »Sein Wagen steht immer noch in der Einfahrt.« Er zog die Fliegentür auf und klopfte an die hölzerne Eingangstür. »Mrs. McIntyre?«
Matt McCain stieg inzwischen ins Blumenbeet neben dem Eingang, um einen Blick durch das große Panoramafenster zu werfen. Die Vorhänge waren zwar zugezogen, aber da es sich um Stores handelte, konnte er mehr oder weniger ungehindert ins Wohnzimmer sehen. Wahrscheinlich einer der Gründe, warum es gerade dieses Haus getroffen hatte, dachte er unwillkürlich. Man musste es nur wenige Minuten beobachten, um zu wissen, ob jemand zu Hause war oder nicht.
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