Das Teufelslabyrinth
nicht.«
Das Gesicht des Stadtvaters wurde aschfahl. »Mehr nicht? Kein öffentlicher Auftritt?«
»So habe ich es verstanden«, bestätigte Rand.
Der Bürgermeister war so verblüfft, dass Rand förmlich sehen konnte, wie sich in seinem Gehirn die Rädchen drehten: Dass der Papst nach Boston kam, ohne ein einziges Mal öffentlich in Erscheinung zu treten, war mit Sicherheit schlimmer als der Versuch, in den wenigen Tagen, die ihm blieben, effektive Sicherheitsvorkehrungen auf die Beine zu stellen.
Nach ein paar Sekunden fand Flowers seine Stimme wieder.
»Sie wollen mir also erzählen, dass der Papst kommt und nichts weiter unternimmt, als vom Flughafen zu dieser Schule und wieder zurück zu fahren? Kein Auftritt im Common? Keine Messe? Keine Fahrt im Papamobil?«
Erzbischof Rand lächelte nichtssagend, obwohl er insgeheim die Verwirrung des Bürgermeisters in vollen Zügen auskostete. »Ich kann nur weitergeben, was mir gesagt
wurde, George.« Dann beschloss er, Flowers noch ein paar schlaflose Nächte zu bescheren. »Aber man weiß ja nie, was der Papst vorhat. Vielleicht ändert er ja seine Pläne noch, wenn er erst einmal hier in Boston ist.«
»Genau das ist es ja, wovor ich Angst habe«, sagte Flowers. »Wenn er das tut, was mache ich dann? Wir müssen irgendeinen Plan haben, und wenn er nach Boston kommt, muss er sich der Öffentlichkeit auch zeigen.« Er sah Rand direkt in die Augen. »Versuchen Sie mir nicht weiszumachen, dass Ihnen und Ihrer Diözese ein öffentlicher Auftritt des Papstes nicht gelegen käme. Also, was wäre mit einem Gottesdienst im Common? Wir können die Messe in einem kleineren Rahmen halten, so wie Seine Heiligkeit das wünscht, aber das wäre doch immerhin etwas.«
Rand zuckte so unbeteiligt die Schultern wie Flowers vor einigen Monaten, als er die Probleme der Kirche so unbekümmert abgetan hatte, und Flowers sackte in seinem Stuhl zusammen. Erst als der Erzbischof entschied, dass der Bürgermeister nun genug gelitten hatte, hob er wieder an zu sprechen. »Aber Sie haben natürlich Recht. Seine Heiligkeit kann nicht nach Boston kommen und sich hier unsichtbar machen, was er bestimmt verstehen wird, und Sie haben außerdem Recht, dass sich ein Gottesdienst im Common relativ einfach organisieren lässt. Gut, dann betrachten wir diesen Punkt als erledigt.« Er sah keine Veranlassung, den Bürgermeister davon in Kenntnis zu setzen, dass mit der Planung dieser Veranstaltung bereits begonnen worden war und der Vatikan seine Zustimmung dazu erteilt hatte.
53
Ryan gab sich redlich Mühe, sich auf das Mathematikbuch zu konzentrieren, das da im Studiersaal vor ihm auf dem Tisch lag, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen.
Irgendwas stimmte nicht - mit seinem Körper, seinem Kopf und seiner Seele. In seinem Bauch rumorte es, als müsste er sich gleich übergeben, doch jedes Mal, wenn er glaubte, es sei höchste Eisenbahn, aufzuspringen und zur Toilette am Ende des Flurs zu flitzen, damit er sich nicht hier im Saal die Seele aus dem Leib kotzte, ließ der Brechreiz wieder so weit nach, dass er sitzen blieb.
Es war nicht nur diese seltsame Übelkeit, nein, es war, als revoltierte sein ganzer Körper; als er sich hier im Studiersaal an den Tisch gesetzt hatte, hatte er gedacht, jemand hätte vergessen, die Heizung anzudrehen, aber nur ein paar Minuten später hatte er angefangen, wie verrückt zu schwitzen. Und dann, als er glaubte, vor lauter Hitze zu verglühen, war ihm auf einmal eiskalt geworden. Es war, als hätte er irgendeinen fiebrigen Infekt, doch gleichzeitig fühlte sich diese innere Hitze nicht wie Fieber an. Außerdem, überlegte er, hätten sie ihn bestimmt auf der Krankenstation behalten, wenn er wirklich Fieber hätte.
Ja, wie war er eigentlich auf die Krankenstation gekommen? Das Letzte, woran er sich erinnerte, war, dass er Pater Sebastian heimlich durch diesen unterirdischen Gang gefolgt war. Was danach kam, wusste er nicht, hatte nur bruchstückhafte Erinnerungen, die nur zu einem Alptraum
gehören konnten: Da war das Bild von einem riesigen Kruzifix, das über ihm aufragte, und etwas Ekligem, das auf seiner Brust lag …
Und weiter? Ja, dann war er auf der Krankenstation aufgewacht, und man hatte ihm gesagt, dass er am Abend zuvor krank geworden sei. Doch am Vormittag hatten sie ihn gehen lassen, und seither fühlte er sich …
Ja, seither fühlte er sich irgendwie komisch. Mindestens ein halbes Dutzend Mal hatte er den Eindruck gehabt, als stünde jemand
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