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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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hinter ihm - wirklich ganz dicht hinter ihm -, und wenn er sich dann umdrehte, war da niemand gewesen. Dann wurde es noch seltsamer: Ihm war, als wäre jemand in ihm, als hätte ihn jemand aus seinem eigenen Körper verdrängt. Aber das war natürlich blanker Unsinn - so etwas gab es nicht.
    Doch trotz alledem wurde dieses komische Gefühl immer stärker, und inzwischen fragte er sich ernsthaft, ob er dabei war, verrückt zu werden. Einen Moment lang kniff er die Augen fest zu, als ihn erneut ein Übelkeitsanfall heimsuchte. Und überall hörte er ringsum Stimmen flüstern, was insofern nicht überraschend war, als sich die Kunde des bevorstehenden Papstbesuches wie ein Lauffeuer in der Schule verbreitete. Die Aufregung, dass der Papst nicht nur nach Boston kam, sondern die St. Isaac’s besuchen wollte, war so groß, dass es den Nonnen nur schwerlich gelang, in den Klassenzimmern für Ruhe zu sorgen. Doch als die Übelkeit nach kurzer Zeit wieder abgeklungen war und Ryan seine Augen öffnete, stellte er fest, dass niemand in seiner Nähe redete.
    Um ihn herum sah er nur über Lehrbücher gebeugte Köpfe und Kugelschreiber, die in Hefte schrieben.
    Ansonsten herrschte Schweigen, niemand redete.

    Und dennoch, dieses unverständliche Gebrabbel ging weiter, Ryan hörte es ganz deutlich.
    Und plötzlich war da ein neues Gefühl: Ryan spürte einen Druck im Gehirn, als versuchte eine fremde Macht, ihn aus seinem eigenen Kopf zu vertreiben. In seiner Not presste er beide Hände seitlich an seinen Kopf, als könnte er dadurch das Chaos stoppen, das sich in seinem Schädel abspielte.
    Er dachte ganz fest an Melody Hunt, die hinter ihm saß. Das Komische war nur, dass er, wenn er die Augen schloss, sie so deutlich sehen konnte, als hätte er sich zu ihr umgedreht.
    Und er spürte sie.
    Ryan sah ein, dass es sinnlos war, weiter über seinem Mathebuch zu brüten. Er klappte das Buch zu, packte es in den Rucksack, und als er aufstand, überraschte es ihn nicht wirklich, dass Melody bereits neben ihm stand.
    Sie streckte den Arm aus und nahm seine Hand.
    Die Berührung fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag; reflexartig entriss Ryan ihr seine Hand.
    Sofort ließ das Kribbeln nach, und er spürte nur noch die Nachwirkungen seines Schrecks.
    Melody lächelte ihn an - ein seltsames, beinahe eisiges Lächeln, als wüsste sie genau, was ihm gerade passiert war -, dann griff sie wieder nach seiner Hand.
    Und sofort schoss ihm wieder ein Blitz durch den Arm.
    »Da ist etwas, was wir erledigen müssen«, hörte er Melody sagen.
    Nur dass sie es nicht wirklich ausgesprochen hatte, sie hatte gar nichts zu ihm gesagt.
    Aber er hatte ihre Worte gehört , laut und deutlich.
    »Komm mit.«

    Schweigend folgte Ryan ihr aus dem Studiersaal und durch den Flur, bis sie zu dem leeren Speisesaal kamen. Als sie dann die Tür zu den unterirdischen Gängen öffnete, verspürte Ryan keinerlei Angst.
    Doch er spürte, dass sich dieses seltsame Gefühl - dieses andere in ihm - regte.
    Vor der Tür wollte er kehrtmachen, doch als Melody die Treppe hinabstieg, fühlte er sich irgendwie gezwungen, ihr zu folgen. Zögerlich machte er einen Schritt, dann noch einen.
    Hinter ihnen fiel die Tür zu. Schlagartig waren sie in nachtschwarze Finsternis gehüllt, und da waren auch schon wieder die ersten Anzeichen von Panik. Doch dieses seltsame »andere« in ihm schüttelte die Angst ab wie lästige Regentropfen, und dann folgte er Melody unbeschwert die Treppe hinunter.
    Bevor sie sich in den stockfinsteren Gang begaben, nahm Melody wieder seine Hand, und auch diesmal spürte er diese eigenartige Energie, die von ihr in seinen Körper zu fließen schien.
    Und mit ihrer Energie erfüllte ihn auch ihre Ruhe.
    Ihre unbeirrbare Zielstrebigkeit.
    Und plötzlich war die Dunkelheit nicht mehr sein Feind. Es war, als geleitete ein heller Strahl sie durch die dunklen Gänge; sie brauchten keine Taschenlampe, nicht einmal ein brennendes Streichholz.
    Sie brauchten nur der Energie zu folgen, die sie leitete.
    Hand in Hand gingen sie schweigend durch die Finsternis, stiegen weitere Treppen hinab, durchquerten immer neue Gänge, zögerten niemals an einer Abzweigung, bewegten sich absolut zuversichtlich durch das unterirdische Labyrinth.

    Dann sah Ryan ein Licht. Einen schwachen, grünlichen Schein, der aus einer offenen Tür in den Gang fiel.
    Als sie vor der Tür standen, erkannte Ryan, woher das Licht stammte, und aus seinem Unterbewusstsein stieg eine Erinnerung auf.

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